Dies ist ein weiteres Meisterwerk eines zu Recht völlig unbekannten Künstlers, der der Meinung war, dass seine dümmliche Spambotschaft gleich weniger dümmlich wirke, wenn er sie in einem JPEG-Bildchen mit moppeligen 199,4 KiB verpackt, die durch die Base64-Codierung für den E-Mail-Versand zu beinahe 270 KiB sinnlosen Datenmülls im Postfach aufgeplustert werden.
Das millionenfach in Postfächer verklappte Ergebnis dieser Kreativität sieht übrigens so aus¹:
Dieses Werk der Gattung „Werbung für ein Dating-Betrugsangebot“ bedarf für sein richtiges Verständnis einer kurzen Beschreibung und Interpretation, die ich hier sehr gern zu geben bereit bin.
Das dargestellte Geschehen findet in einem kaltblauen Raum statt, in dessem Mitte ein rosa Licht erblüht, das rosa Herzen nutzlos gen Himmel steigen lässt. In diesem Raume zwei menschliche Gestalten, die auf ergonomisch wenig geeigneten Stühlen mit leichter Anspannung an Tischen sitzen, auf denen Tastaturen und Monitore stehen. Auf der linken Seite sitzt eine Frau, bis auf die unpassend hochhackigen Schuhe völlig unbekleidet, erkennbar magersüchtig und somit wohl von persönlichem Unglück gezeichnet, mit tippenden Fingern, die seltsam verkrampft anmuten; auf der rechten Seite sitzt ein bekleideter Mann in legerer Alltagskleidung, der einen einzelnen Finger über die Tasten hält, als hielte ihn ein notwendiges Nachdenken, wie teuer der Chat auf dieser Datingbetrugs-Site wieder ist, davon ab, die Taste auch wirklich zu drücken und seine Zeile abzusenden. Die Gesichter der beiden auf ihren Schatten reduzierten Menschen sind zwar einander zugewandt, doch ihre Köpfe sind leicht gesenkt und sie blicken gebannt auf die Monitore, die auf den Tischen stehen. Hinter dem Monitor der Frau steht eine schlichte Vase, in der drei blühende Rosen um Beachtung flehen, die jedoch wegen des davorstehenden Monitors für die Frau völlig unsichtbar bleiben; hinter dem Monitor des Mannes eine Kaffeetasse, die ihn wohl ein wenig wacher machen könnte, wenn er sie nur sähe und tränke.
Dieses erschütternde menschliche Geschehen am Rande der entfleuchenden Herzen ist in Form tiefschwarzer Schattenrisse dargestellt, die beim Betrachter einen klaren Eindruck der Lichtlosigkeit und Vergeblichkeit jeglichen Tuns dieser Menschen erwecken.
Beide tippen auf ihren Tasten herum und scheinen sich nicht weiter darum zu bekümmern, dass weder Tastatur noch Monitor mit einem Computer verbunden sind, der diesem Tun erst Sinn geben würde, beide können einander nicht sehen, beide können niemals zueinander kommen. Die rosa Herzen steigen von ihnen unbeachtet flatterleicht aufwärts und legen sich hinter die Überschrift „Dating Liebhaber in Deutschland“, die durch das Deppen Leer Zeichen ein weiteres Element der Vereinsamung und Vereinzelung zu dieser eh schon dichten visuellen Symphonie der Hoffnungslosigkeit hinzufügt. Es ist nun einmal ein Angebot für „Dating Liebhaber“, nicht für Menschenliebhaber.
Im oberen Bereich des Bildes ein klarer Bruch, der Raum hört an einer scharfen Grenze zu existieren auf, ein nüchterner, weißer Hintergrund macht klar, dass es sich nicht um einen Teil dieses Geschehens handelt. Dieser Bereich transportiert den Befehl „FINDE INTIME AFFÄRE“, der absurd fern von allem und doch über allem steht. Es ist geistlose, von der Vernunft und der Wirklichkeit entrückte Geilheit, die sich hier außerhalb des Raumes Raum verschafft hat und doch dazu verdammt ist, niemals einen Raum zu finden.
Im unteren Bereich des Bildes zeigt sich der blaue Boden des blauen Raumes, glatt und kalt wie Eis, in dem sich die Schattenrisse spiegeln. So viel steht fest: Wenn die beiden dargestellten Menschen einmal nach einer reglosen Ewigkeit des Starrens auf nichts anzeigende, mit keinem Gerät verbundene Monitore und des sinnlosen Tippens auf Tasten, die keinen Buchstaben irgendwohin transportieren, ihr Haupt in Traurigkeit und Ermattung senken, dann werden sie sich selbst sehen, ein Schatten eines Menschen im eisigen Spiegel des Bodens, einsam und schwarz. Wozu sie dann noch ihre Hände benutzen können, sei hier gar nicht in seinen Einzelheiten ausgebreitet – aber klar ist eines: Das hätten sie billiger haben können, wenn sie sich den vom Spammer angebotenen Umweg „ZUR HOMEPAGE“ erspart hätten.
In diesem Sinne: Macht es euch lieber selbst, als irgendwelchen Betrügern Unmengen von Geld dafür zu geben, dass ihr mit irgendwelchen Chatbots chattet!
¹Der überlagerte Schriftzug „SPAM“ ist natürlich von mir, denn ich werde nicht gern zum Hoster für die Spammer.