Wenn man die Website eines bestimmten (hier wegen der dreisten und offen leserverachtenden Unverschämtheit bewusst nicht verlinkten) österreichischen Presseproduktes öffnet – zum Beispiel, um einen Artikel zu lesen, auf den man in seiner Morgenlektüre hingewiesen wurde – wird man mit dem folgenden Gängellayer aus der contentindustriellen Hirnhölle konfrontiert (für eine Ansicht in Originalgröße auf das Bild klicken):
Ich bedauere ja oft, dass dieses viel beklagte „Pressesterben“ viel zu langsam geht.
Glauben diese Gruselclowns… oh, sorry, ich meine natürlich die Gestalter dieser Gängelung… allen Ernstes daran, dass es auf dieser Welt Menschen gibt, denen es fünf ganze Euro wert ist, auf einer einzelnen von mehreren Milliarden Websites über einen Zeitraum von 24 Stunden lesen zu dürfen? Auf einer noch nicht einmal besonderen und inhaltlich exklusiven Website, sondern in einem contentindustriellen Journalismusprodukt, dessen einziger Zweck und Geschäftsmodell ein Dasein als Köder für den Angelhaken des Werbers ist? Weil ein Werber nun einmal einen Köder für seine perfiden und manipulativen Lügenfallen braucht? Weil der nackte Haken den meisten Fischlein mit Kaufkraft nun einmal nicht schmeckt? Für diesen Zweck ist contentindustrieller Journalismus so ideal, dass er praktisch keine anderen Geschäftsmodelle mehr hat.
Fünf Euro für 24 Stunden Lesen bezahlen, obwohl die Website mindestens zu achtzig Prozent (typisch sind weit über 90 %) aus Inhalten besteht, die es aus diversen Quellen völlig kostenlos gäbe, weil sie in der freien, nach eigenen Angaben „unabhängigen“ und allersorgfältigst recherchierenden Presse immer alle die gleichen Agenturen und frei gelieferten PRessemeldungsticker abschreiben? Fünf Euro für eine „Zeitung“ auf dem Bildschirm, mit der man nach dem Lesen nicht einmal mehr den Vogelkäfig auslegen könnte? Ein Preis, der schon für eine auf Papier gedruckte Tageszeitung schlechterdings absurd wäre? Und das Beste daran: Wenn man so dumm wäre und dafür bezahlte, erhielte man Zugriff auf Informationen, die man in über das Stammtischgebrabbel hinausgehenden Diskussionen, Analysen und Arbeiten gar nicht als Quelle verwenden könnte, da man sie niemals belegen kann. Ein Link auf einen Artikel hinter so einer absurden Gängelmauer ist wie ein Wegweiser in das Nichts und für alle Menschen sinnlos. Steht da ja sogar: Der (weggelassener Artikel von mir hinzugefügt) „Zugriff endet nach 24 Stunden“. Die schreiben ganz offen hin, wie wertlos das ist, was man für den Preis von drei Kilogramm leckerer und satter Nudeln „erwerben“ kann. Und sie schreiben damit offen hin, dass sie noch nicht einmal als zitierfähige Quelle geeignet sein wollen.
Wenn die wirklich glauben, dass dafür jemand fünf Euro latzt, dann haben die einen Dachschaden, der so groß ist, dass sie schon seit langem im Freien schlafen. Ich würde allen für diese Entscheidung verantwortlichen Menschen nach dieser bemerkenswerten Offenbarung ihres gedanklichen Apparates dringend empfehlen, bei eventuellen Gesprächen mit psychiatrischen Gutachtern sehr vorsichtig zu sein. Ich habe Menschen kennengelernt, die schon nach viel geringeren Realitätsverlusten für den Rest ihres Lebens einen Vormund an der Backe hatten.
Ach nein, das sind in Wirklichkeit ganz ausgebuffte Geister? Die wissen genau, dass niemand fünf Øre dafür hinlegt, dass er einen Tag lang eine Website lesen kann? Die wollen mit dieser Gängelung einfach nur die „freiwillige Zustimmung“ in allerlei unerwünschte Datenverarbeitung erzwingen? Weil sie davon ausgehen, dass ihre Leser so dumm sind, dass sie das…
- …trotz seiner Offensichtlichkeit nicht durchschauen; oder…
- …es zwar durchschauen, aber so wenig Selbstachtung haben, dass sie trotz dieser offenen Intelligenz- und Leserverachtung mit einem lesegierigen und dummen Klick allerlei Zumutungen der Überwachung, des Trackings, der Verdatung zustimmen und weiterlesen?
Die wollen also Dummköpfe als Leser, und damit das auch klappt, beleidigen sie gleich am Eingang keck und offen die Intelligenz jedes Menschen, wohlwissend, dass die gewünschten Dummköpfe das gar nicht bemerken können. Früher, als sie noch kein halbes Fischblatt war, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem claim „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ geworben, was natürlich beabsichtigterweise dazu führte, dass sich so mancher Dummkopf hinter einer FAZ versteckte, um klüger auszusehen. Hier aber ist die öffentlich werbende Selbstdarstellung genau anders herum: „Wir haben nur Dummköpfe als Leser, komm schon, sei auch dumm“.
Nun dann, vor meinem Arsch ist auch kein Gitter! 👅️
Habe ich schon angemerkt, dass mir dieses viel beklagte „Pressesterben“ viel zu langsam geht? Ja? Dann ist ja gut. Dass diese Masche von ihrer irreführenden Machart her gar nicht so sehr anders als diverse (ebenfalls auf dumme und naive Menschen zielende) Betrugsmaschen aus der Spam sind, ist natürlich kein Zufall. Es ist das Ergebnis der selben Denkweisen von Menschen, die an das Geld anderer Menschen kommen wollen, ohne ihnen dafür etwas Wertentsprechendes geben zu wollen und ohne allzuviel Arbeit damit zu haben. Contentindustrieller Journalismus passt sich in seinen Methoden den Spams von Trickbetrügern an. Oder, wie ich zu sagen pflege: Da wächst zusammen, was zusammen gehört.
Dem aus Österreich kommenden contentindustriellen journalistischen Produkt, dass es hier einfach mal mit Leser- und Intelligenzverachtung versucht, wünsche ich noch viel Spaß bei der kommenden innigen Beziehung mit dem Insolvenzverwalter.
Und nein, das ist dann kein Schicksal, es ist Konsequenz des eigenen Tuns und Seins. Es ist auf ganzer Linie verdient. Der intellektuelle Bankrott kam schon lange vor der wirtschaftlichen Insolvenz; das geistige Absterben war schon weitgehend durchschritten, als endlich auch der wirtschaftliche Tod eintrat. Wer allen Ernstes zur Rechtfertigung sagt, dass wir solche Machenschaften „für die Demokratie“ brauchen, der sagt damit übrigens auch: Wir brauchen Betrug und Überrumpelung für die Demokratie. Da darf man sich aber nicht wundern, wenn andere, Geübtere, das mit dem Betrug und der Überrumpelung viel besser hinbekommen (man nennt diese Maschen in politischen Kontexten „Populismus“, damit die Parallele zum Betrug nicht so auffällt), ja, wenn sie es so gut hinbekommen, dass inzwischen ernsthaft darüber gesprochen wird, wie man diese „Demokratie“ vor den lästigen Wählern schützen kann.
Die contentindustrielle Presse schützt nicht die „Demokratie“, sondern die gewerbsmäßig vorgetragene, manipulative Lüge der Reklame. Dafür lässt sie sich bezahlen. Für nichts anderes. Kein Wunder, dass man bei solchem Umgang innerlich verrottet und anfängt, die Menschen und ihre Intelligenz als Feind zu betrachten. Und: Kein Wunder, dass denkende und fühlende Menschen davor fliehen.