Heute vor genau zehn Jahren schrieb ich mein erstes Blogposting in diesem Blog – natürlich war das „Thema“ die Pest der damaligen Zeit, die Casino-Spam, die inzwischen selten geworden ist, weil sie von der Binäre-Optionen-Spam abgelöst wurde. Das „Geschäftsmodell“ ist allerdings genau das gleiche: Die Spammer kassieren Affiliate-Geld dafür, dass sie halbseidenen, abzockerischen oder gar offen betrügerischen Geschäftemachern neue Kunden zutreiben.
Auch ansonsten hat sich in den letzten zehn Jahren nicht viel verändert.
Noch immer ist Spam ein illegales „Geschäftsmodell“, das sich für die Spammer lohnt, denn noch immer gibt es genügend Menschen, die darauf hereinfallen und klicken, weil sie eine Mitteilung von einem anonym bleibenden Gegenüber erhalten haben. Spam ist für den Spammer billig. Sie lohnt sich schon, wenn nur ein paar Promille der Empfänger in der gewünschten Weise reagieren.
Noch immer sind Banken, Gewerbetreibende, Internet-Dienstleister und dergleichen nicht dazu übergegangen, ihre legitimen E-Mails digital zu signieren, um dem Empfänger die Möglichkeit zu geben, den Absender einer E-Mail jenseits jedes vernünftigen Zweifels sicher zu stellen. Diese Vorgehensweise ist meiner Meinung nach – wenn sie langfristig erfolgt und mit einer Aufklärung von Kunden und Nutzern einhergeht – die einzige Möglichkeit, den Phishing-Sumpf trockenzulegen, so dass diese moderne Form des Trickbetruges endlich Geschichte wird. Das ist angesichts der Tatsache, dass digitale Signatur von E-Mails keine obskure „Raketentechnologie“ ist und nicht einmal Geld kostet, erschreckend. Tatsächlich gibt es dafür nur eine Erklärung, und die widerspricht der Reklame der Banken, Gewerbetreibenden und Internet-Dienstleister diametral: Die Sicherheit der Kunden und Nutzer vor primitiven Betrügereien und den damit verbundenen finanziellen Schäden ist diesen Unternehmungen völlig gleichgültig.
Noch immer findet das Thema der Spam im Journalismus nicht das Maß an Beachtung, das es verdient, so dass viele Neulinge völlig unaufgeklärt ihr „Lehrgeld“ an mafiös organisierte Verbrecher bezahlen. Das, was ich vor ebenfalls zehn Jahren in die FAQ zu Unser täglich Spam schrieb, ist uneingeschränkt weiter gültig:
Fragen sie ihre Tageszeitung, warum es keine Informationen und Warnungen zu den jeweils aktuellen Phishing- und Spam-Wellen an auffälliger Stelle gibt. Das Internet ist schließlich keine Spielwiese der Nerds mehr, es ist eine Massenerscheinung, an der auch ganz gewöhnliche Menschen in verschiedener Weise Teil haben. Auch die Journaille muss unter solchen Umständen einen Beitrag zur Verbrechensverhinderung leisten. Jeder andere Trickbetrüger bringt es doch auch als Warnung in die Presse, warum also nicht ein gefährlicher Phisher, der bei Erfolg Menschen um tausende von Euros erleichtern und sogar an den Rand des persönlichen wirtschaftlichen Ruins bringen kann? Wenden sie sich an ihren bevorzugten Radio- oder Fernsehsender und fragen sie, warum es zwar Unwetterwarnungen gibt, aber keinen Hinweis auf gefährliche Schadsoftware, die ihren Weg über Spam auf die Rechner ganz gewöhnlicher Mitbürger findet und die diese Rechner in fernsteuerbare Zombies der Spam-Mafia verwandelt?
Das größte Problem im Zusammenhang der Spam ist die gefährliche Unwissenheit vieler Menschen. Das beste Mittel gegen Unwissenheit ist besonnene, den Fakten verpflichtete und hilfreiche Aufklärung.
In diesem Kontext finde ich es allerdings erfreulich, dass wenigstens das Landeskriminalamt Niedersachsen vor einigen Jahren damit begonnen hat, eine Informations- und Aufklärungssite über gängige Formen der Internetkriminalität zu pflegen. Sicher, ich habe daran auch einiges auszusetzen, aber es war ein wichtiger und lobenswerter Schritt in die richtige Richtung. Leider ist zu befürchten, dass viele, die es sehr nötig hätten, nicht rechtzeitig davon erreicht werden.
Noch immer ist es durchaus normal, dass Menschen, die von einem gewerbsmäßigen Internetbetrüger abgezockt wurden, sich zu ihrem Schaden auch noch des Spottes ihrer Mitmenschen erwehren müssen, wenn sie von ihrer Erfahrung erzählen. Spammer leben davon, dass Menschen auf ihren Betrug hereinfallen, und sie können sich dabei überraschend viel Mühe geben, in ihrer Mitteilung so seriös und glaubwürdig auszusehen, dass nicht nur ein Dummkopf darauf hereinfällt. Hochmut ist völlig fehl am Platze. Ein bisschen Hilfe nicht.
Tatsächlich wäre ich vor einigen Jahren beinahe selbst auf ein Phishing hereingefallen, wenn ich mir nicht eine Reihe von Verhaltensweisen angewöhnt hätte, die leider immer noch viel zu selten sind.
Das war im Kontext eines Crackerangriffes auf Unser täglich Spam, der erschreckend weit auf dem Server vorgedrungen war. Die Angreifer haben sogar Menschen aus meinem Bekanntenkreis angerufen, angemailt und angeIMst, um ihnen meine Passwörter zu entlocken, falls sie diese kennen – und unter den so von Verbrechern ausgequetschten Menschen ist nur einem etwas aufgefallen (so dass ich schnell davon erfahren habe und zum Glück weiteren Schaden begrenzen konnte), obwohl ich grundsätzlich nach Möglichkeit nur signierte E-Mail versende und niemals eine unsignierte E-Mail versenden würde, wenn es wichtig wäre. Ich konnte im Zuge dieses Angriffes nicht mehr abschätzen, was mein unsichtbares Gegenüber (Klingonen hätten gesagt, dass es „ehrenhaft“ kämpft) schon hat und kann. In genau dieser stressreichen Situation bekam ich eine 08/15-Phishingmail „von PayPal“, die mich natürlich sehr alarmierte. Was mich gerettet hat? Die einfache Angewohnheit, niemals in eine E-Mail zu klicken. Als ich ganz normal PayPal im Browser aufrief – es gibt dafür seit dem Mosaic Netscape 0.9 beta aus dem Jahr 1994 diese praktischen Lesezeichen – und bei dieser Gelegenheit flugs das möglicherweise kompromittierte Passwort änderte, wurde mir klar, dass es sich um Phishing handelte und dass das angebliche Problem einer von mir veranlassten, recht hohen Zahlung an ein obskures Unternehmen aus Russland gar nicht existierte.
Kurz: Unter bestimmten Umständen kann jeder auf so etwas hereinfallen. Ich selbst habe eine Phishing-Mail einmal kurz für „echt“ gehalten. Ist das ein Grund, über mich zu lachen? Wenn ja, dann tun sie sich keinen Zwang an! Es erleichtert ja, und leider tut es dies oft, ohne notwendige Denkprozesse anzustoßen, die zu mehr Vernunft im Alltag führen.
Und noch immer trainiert PayPal seine Nutzer und Kunden nicht darin, niemals in eine E-Mail zu klicken. Ganz im Gegenteil. Da ist das viele erfolgreiche Phishing auf PayPal-Konten nicht weiter überraschend – zumal PayPal noch immer darauf verzichtet, seine E-Mails an seine Kunden digital zu signieren.
Kurzum: Es gibt keinen Grund, inne zu halten und irgendetwas zu feiern.
Aber ich hatte weder die Absicht noch die Möglichkeit, etwas Nennenswertes zur Bekämpfung der Spam zu leisten.
Als ich heute vor zehn Jahren mit diesem Blog begann, habe ich mir das damalige WordPress-Standardlayout „Kubrick“ genommen, die Titelgrafik gegen „etwas mit Spamdosen“ ausgetauscht und beinahe nichts am Design verändert, um schnell loslegen zu können. Ich tat es in einer Zeit, in der ich jeden verdammten Tag zwischen zweihundert und vierhundert Spammails bekam. Das zumindest hat sich etwas gebessert – weil inzwischen ein Großteil der Betrugsnummern über Social-Media-Sites und Smartphone-IM der Marke „WhatsApp“ läuft, während im Postfach nur noch ein Rinnsal anstelle der früheren Flut ankommt. Was über „Facebook“ läuft, erfahre ich bestenfalls einmal aus zweiter Hand, denn ich bin immer noch nicht dazu bereit, das Angebot eines Unternehmens zu nutzen, das sein Geschäftsmodell mit illegaler und asozialer Spamwerbung aufgebaut hat. Das „Adressmaterial“ für die Spamwerbung wurde übrigens mit trojanischen Apps von Smartphones naiver Nutzer abgezogen. Inzwischen sind die Trojaner von Facebook oft so auf Smartphones vorinstalliert, dass man sie nicht mehr ohne Verlust der Gewährleistung deinstallieren kann, und erwachsene Menschen lassen sich diese kalte, enteignende Unverschämtheit gefallen oder finden sie sogar noch erfreulich.
Ich habe angefangen, über Spam zu bloggen, weil ich den täglichen Wahnsinn nicht mehr passiv hinnehmen wollte. Außerdem bereitet es mir Freude, die Dummheit der Spammer ans Tageslicht zu zerren und den Kriminellen hin und wieder einmal in ihre Suppe zu pinkeln. Dass es dabei zu kriminellen Angriffen gegen das Blog kommt, ist wohl unvermeidlich.
Immer noch verwendet Unser täglich Spam in seiner Standarddarstellung eine Bearbeitung des alten Standard-Themes „Kubrick“, die allerdings inzwischen erheblich ist. Das Blog wirkt optisch wie ein Anachronismus, und ich habe nicht die Absicht, das zu verändern. Mein einziges Zugeständnis an die veränderten Internetgewohnheiten vieler Menschen ist, dass ich für Smartphones und Tablets ein anderes, deutlich reduziertes Design für die gleichen Inhalte verwende. Zurzeit geht ein gutes Viertel der Zugriffe auf Unser täglich Spam von Smartphones aus. Es sind eben die Geräte, auf denen jetzt viele Menschen ihre Spam empfangen. Die Technik ist moderner, die tägliche Spam ist die gleiche, und sie scheint sich immer noch zu lohnen. 🙁
Ich wollte dieses Blog schon mehrmals einfach einstellen oder zumindest damit aufhören, es mit neuen Inhalten zu befüllen. Es gibt kein anderes Internetprojekt von mir, das ich so gern einstellen würde wie Unser täglich Spam. Meine Motivation ist gering geworden, die tägliche Spam ist die gleiche, und sie scheint sich immer noch… ich wiederhole mich.
In diesem Sinne hoffe ich, dass es nicht zu einem zwanzigsten Bloggeburtstag kommt.
Wer jetzt noch etwas Unterhaltung sucht und gerne lacht, der wandele heiteren Geistes durch die Hall of Shame, in der sich die narrengüldnen Glanzstücke zehnjährigens Bloggens über Spam finden. Ebenfalls sind jene spammigen Kommunikationsversuche, die ich unter dem Schlagwort „Dada“ abgelegt habe, oft von großem Unterhaltungswert.
Wer hingegen nichts dagegen hat, wenn ihm das Lachen richtig vergeht, schaue sich an, wie die Spammer und andere Verbrecher an ihre Daten kommen und sei sich gewahr, dass diese Vorfälle nur die Spitze des Eisberges sind.
Wie oft wurde ich schon ausgelacht, wenn ich anderen Menschen sagte, dass es nur einen Datenschutz gibt, und zwar den, den man selbst in die Hände nimmt, indem man keine Daten von sich preisgibt! Das Lachen erleichtert ja, und leider tut es dies oft, ohne notwendige Denkprozesse anzustoßen, die zu mehr Vernunft im Alltag führen.
Aber ich wiederhole mich…
Wie so oft.