Ich frage mich ja schon manchmal, ob es eine gute Entscheidung war, innerhalb dieses Blogs die illegale Spam zusammen mit den normalen und legalen Formen der Werbung zusammen zu behandeln. Was mich in dieser Entscheidung bestärkt, sind vor allem drei Tatsachen: Erstens ist die normale, legale Werbung in ihrer einseitigen Kommunikation genau so dumm, zweitens verfolgt sie die gleichen Ziele wie Spam und drittens kommt auch normale, legale Werbung oft in einer Form bei der Zielgruppe an, die sich auch bei allem Entgegenkommen der Betrachtung nicht leicht von den plumpen Versuchen der Spammer unterscheiden lässt, Menschen mit völlig unerwünschten Belästigungen zu überrumpeln.
Die Wirkung solcher üblen, überfallartigen Werbeformen musste von einigen Tagen C. erfahren, eine Frau aus Hannover. Sie gehört nach einer längeren Krankheitsgeschichte zu den Neuen Armen und krepelt am Existenzminimum. Dass bei solchen Lebensumständen auch im Verkehr mit der eigenen Bank – es handelt sich hier um die Sparda-Bank Hannover – nicht alles so freundlich und fair und lächelnd ist, wie dies in der Hochglanz-Werbung der Banken gern suggeriert wird, sollte jedem klar sein.
Vor zehn Tagen hat sich C. einen Kontoauszug aus dem Drucker geholt. Dabei bemerkte sie, dass einige Seiten mehr als erwartet ausgedruckt wurden. Das hat sie zunächst für eines ihrer „normalen“ Probleme gehalten und deshalb erwartet, dass sie auf diesem Wege mechanisch freundlich darum „gebeten“ würde, zu einem so genannten „Gespräch“ mit einem Angestellten der Bank zu erscheinen. Mit diesem Kontext erscheint der letzte Absatz des Textes auf dem Kontoauszug – auf dem nach einigem Blah schließlich eine solche Aufforderung erwartet wird und der deshalb die erste Aufmerksamkeit auf sich zieht – schon ziemlich erschreckend:
Zum besseren „Genuss“ sei dieser Text noch einmal flugs abgetippt:
Entbindung von der Schweigepflicht
Mir ist bekannt, dass der Versicherer – soweit hierzu ein Anlass besteht – Angaben über meinen Gesundheitszustand, zur Beurteilung der Risiken eines von mir beantragten Vertrags, überprüft. Zu diesem Zweck befreie ich Ärzte, Zahnärzte, Angehörige anderer Heilberufe sowie Angehörige von Krankenanstalten und Gesundheitsämtern, die mich in den letzten 10 Jahren vor Antragstellung untersucht, beraten oder behandelt haben, von ihrer Schweigepflicht – und zwar auch über meinen Tod hinaus – und ermächtige sie, dem Versicherer die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Diese Ermächtigung endet 5 Jahre nach Antragstellung. Von der Schweigepflicht entbinde ich auch zur Prüfung von Leistungsansprüchen im Falle meines Todes.
Wie ein solcher Text in der beschriebenen Situation wirkt, sollte auf der Stelle einleuchten. Natürlich war auch ein Platz vorgesehen, wo C. unterschreiben sollte.
Es handelte sich hier allerdings um eine Form der Werbung für eine Versicherung durch die Sparda-Bank. Dabei handelt es sich auch nicht etwa um eine „Information“, sondern um einen Vertragstext, der gleich auf dem Kontoauszug unterschrieben werden kann. Die erschreckende zweite Seite war ein Nachtrag zum Vertragstext, und zwar so auf einer zweiten Seite gedruckt, dass bei der Unterschrift nicht einmal klar wird, dass er ein Bestandteil des Vertrages ist – allein das ist schon formal bedenklich und lässt vermuten, dass die Werber, die sich so etwas ausdenken, sehr wohl darum wissen, wie ein erschreckender Text an unerwarteter Stelle die Aufmerksamkeit erzwingt. Dass eine solche, unaufgeforderte Zustellung eines Vertragstextes in erster Linie eine Werbung für die Leistung ist, die im Vertrage angeboten wird, ist klar.
Der zusätzliche Text auf dem Kontoauszug war allerdings in keiner Weise als Werbung gekennzeichnet, damit er auch bloß nicht als solche abgetan, sondern als Bestandteil eines Kontoauszuges – es könnte ja etwas Wichtiges sein – gelesen und aufgenommen werde. Wer sich mit eigenen Augen von dieser Tatsache überzeugen möchte, kann dies gern an Hand des gesamten Textes tun – ich habe keine inhaltlichen Veränderungen vorgenommen und lediglich jene Bestandteile unkenntlich gemacht, die eine Identifizierung von C. durch die Sparda-Bank ermöglichen. Diese sind nur die beiden Angaben der Kundennummer von C.
Selbst ohne den betrüblichen Hintergrund von C. ist diese Art der Werbung gewiss von einem überrumpelnden und eher fiesen Charakter, der ganz sicher nicht dazu geeignet ist, einen Eindruck von Seriosität zu erwecken. Allein das sollte Grund genug für die Sparda-Bank sein, von solchen Methoden in Zukunft Abstand zu nehmen, vielleicht sogar im Sinne des gegenwärtigen claims „freundlich & fair“ über eine Entschuldigung gegenüber jenen nachzudenken, die durch diese doch eher kalte und unfaire Werbeform dazu gedrängt wurden, unverlangte Werbetexte mit erhöhter Aufmerksamkeit zu lesen.
Für mich bedeutet dieser Vorgang nur eines: Wenn ich zurzeit eine Bank suchte, käme die Sparda-Bank für mich nicht mehr infrage.
Einen fröhlichen Dank an C., die mir dieses bemerkenswerte Dokument des „Kundendienstes“ zur Verfügung stellte.