Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


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Mittwoch, 14. Februar 2024, 13:45 Uhr

Aus den Biotopen des Internetsumpfes

Die folgenden Zitate sind keine Spam, sondern ein meiner Meinung nach interessanter Hinweis des LKA Niedersachsen zu einer neuen Form der Einleitung eines betrügerischen Identitätsmissbrauchs.

Beim Lesen dieses Hinweises lernt hoffentlich jeder Mensch, warum man nicht überall seine Daten, insbesondere, warum man am besten überhaupt nicht und absolut niemals ohne rationalen Grund seine Telefonnummer irgendwo im Internet angeben sollte [Archivversion]:

Die Geschädigten erhielten einen Anruf über eine Mobilfunknummer. Die Person am Telefon gibt sich als DHL-Bote/Paket-Bote aus. Angeblich würde sich ein Paket in Zustellung für den Angerufenen befinden. Dieses könne aber aus Sicherheitsgründen oder wegen falscher Adresse erst korrekt nach Nennung eines Codes zugestellt werden. Die Code-Zustellung würde per SMS erfolgen.

Im direkten Anschluss wird tatsächlich eine SMS mit einem Code zugestellt. Der Angerufene nennt den Code und hofft nun auf die Zustellung […] Eine Paketzustellung erfolgt natürlich nicht

[…] Der zugestellte Code war für eine Sicherheitsbestätigung des Accounts (z.B. O2-Mobilfunk-Account, Mail-Account). Der oder die Täter haben nach Nennung des Codes Zugriff auf den fremden Account bekommen. Mittels dieser Bestätigung wurde in einem Beispiel eine neue eSIM bestellt. Dies ist eine virtuelle SIM-Karte die z.B. in einem aktuellen Smartphone als SIM-Karte hinterlegt werden kann. Mittels der neuen „Karte“ kann nun das Telefon (Mobilnummer) so genutzt werden, wie es der echte Inhaber zuvor gemacht hat. Es können SMS empfangen, versendet oder Telefonate geführt werden. Ggf. hinterlegte Accounts können, wenn z.B. eine Zwei-Faktor-Authentifizierung eingerichtet ist, übernommen werden. Auch das Online-Banking könnte betroffen sein. Der echte Inhaber wurde aber in unserem Fall von seiner üblichen Kommunikation über das Mobilfunknetz ausgeschlossen. Die originale SIM im Gerät wurde durch die eSIM ersetzt. Dies fällt ggf. nicht sofort auf, wenn das Smartphone im heimischen WLAN genutzt wird und aktuell keine Telefonie erfolgt

Und, woher haben die Trickbetrüger die Telefonnummer?

Die Datenquelle, die die Täter nutzen, ist derzeit unbekannt. Es gibt aber viele Sicherheitslücken aus der Vergangenheit, bei der u.a. auch Namen, Anschriften, Mailadressen, Mobilfunknummern, Passwörter usw. in Täterhände gefallen sind, die in Folge dann für solche Kontaktaufnahmen verwendet werden können

Aha, durch den „Industriestandard des Datenschutzes“, wie ich das manchmal „liebevoll“ nenne. Kriminellen stehen Unmengen eingesammelter Daten zur Verfügung, teils durch cracking erbeutet, teils durch mangelhaften Datenschutz von Unternehmen und ihren Dienstleistern veröffentlicht. Unmittelbar nutzbare Zusammenstellungen dieser Daten stehen jedem daran Interessierten für eine Handvoll Bitcoin zur Verfügung. Hier auf Unser täglich Spam gibt es nur eine kleine, vermutlich unvollständige Übersicht.

Anders, als der vom LKA Niedersachsen erweckte Eindruck nahelegt, geschieht die Weitergabe solcher betrügerisch missbrauchbarer Daten keineswegs nur durch „Sicherheitslücken“, sondern sehr häufig durch Nachlässigkeit, Fahrlässigkeit oder gar durch offene Absicht. Facebook hat zum Beispiel schon die Telefonnummern aller seiner Nutzer ins offene Web gestellt, also im wahrsten Sinn des Wortes weltweit veröffentlicht, und zwar gleich zusammen mit weiteren Daten für die betrügerische Recherche auf der Website von Facebook. Darüber hinaus gab es einen ziemlich offenen Zugriff auf die eingesammelten Daten, wenn man sich kostenlos als Entwickler bei Facebook registriert hatte. Natürlich zirkulieren solche Daten unter Betrügern. So lange es in der Bundesrepublik Deutschland einen schärfer durchgesetzten Datenschutz für Autokennzeichen als für Menschen gibt, wird sich daran auch nichts mehr ändern. Das ist politischer Wille. Datenschutz wird als Wirtschaftshemmnis verstanden, nicht als Schutz für die Menschen. Digital first. Hochdruck second, Bedauern third, Fatalismus fourth. Die Konsequenzen für verantwortungslose Datenschleuderei sind lächerlich. Außer für die Betroffenen eines Identitätsmissbrauches versteht sich. Denn denen werden oft mehrere Jahre ihrer begrenzten Lebenszeit verhagelt.

Ich kann ja noch verstehen, dass man für seine Fernkontoführung – von Werbern und ihren hässlichen, stinkenden Brüdern, den Journalisten, meist als „Online-Banking“ bezeichnet – die zusätzliche Sicherheit durch 2FA haben möchte. Aber es ist einer der tief beunruhigenden Trends der letzten zehn Jahre, dass immer mehr eher entbehrliche Websites die Herausgabe einer Telefonnummer bei einer zur Nutzung erzwungenen Benutzeranmeldung einfordern, natürlich stets nur „zu meinem Besten“. Das ist übrigens eine Forderung, bei der ich sofort die Flucht ergreife. Keine Website ist so wichtig, dass ich irgendwelchen Werbern, Gewinnbimmlern, Meinungsforschern, Spammern und Betrügern ermöglichen würde, mit großer Aufdringlichkeit, aber dafür ohne jeden Respekt direkt in meinem Leben herumzuklingeln. Ich bekomme wahrlich schon genug Spam auf meinen Mailadressen, aber diese Spam kann ich zum Glück ganz gut „behandeln“.

Und nein, ich glaube nicht an den überall lufteleicht und in der Praxis völlig konsequenzenlos versprochenen Schutz meiner persönlichen Daten. Warum nicht? Weil ich weiß, dass auch morgen die Sonne aufgehen wird, nachdem ich wieder und wieder und wieder erlebt habe, dass morgens die Sonne aufgegangen ist. Diese Form der „unvollständigen Induktion“ ist nicht einmal eine große Intelligenzleistung. Eingesammelte Daten blubbern wieder heraus; dies zumindest oft genug, dass man ernsthaft mit dieser Möglichkeit rechnen muss. Auch bei großen, renommierten Unternehmen, und immer häufiger auch bei staatlichen Datensammlungen. Ich mache deshalb keine Angaben, die ich nicht auch im offenen Web machen würde. Weder meine persönlich genutzte Mailadresse noch meine Telefonnummer noch mein Geburtsdatum gehört zu den Angaben, die ich für eine Anmeldung machen würde. Wenn die „Datenschutzerklärung“ so lang und verschwurbelt formuliert ist, dass ich sie nicht sofort auffassen kann, mache ich sogar noch weniger Angaben. Oder ich ergreife die Flucht. Wer keine Daten weitergeben will, braucht keinen langen Text, um zu beschreiben, was mit den Daten geschieht. Ich empfehle auch anderen Menschen dringend die Verwendung von Wegwerfmailadressen, die man einfach löschen kann, wenn sie wegen der Spam nicht mehr benutzbar sind.

Leider bin ich mit meiner Verweigerungshaltung ziemlich allein, denn sonst hätte sich diese Forderung nach Angabe einer Telefonnummer nicht immer mehr ausgeweitet. Inzwischen kann man so etwas auch auf irgendwelchen „Dödelwebsites“ erleben. Ich wurde zum Beispiel vor etwas über einem Jahr davon abgehalten, mir einen ersten Eindruck von „ChatGPT“ zu verschaffen, weil ich dafür meine Telefonnummer angeben sollte. Warum zum hackenden Henker? Einen Deibel werde ich tun! Vor allem gegenüber irgendwelchen Klitschen mit fragwürdigem bis klar unseriösem Geschäftsmodell¹… die mögliche Beschädigung eines privat und sehr persönlich genutzten Kommunikationskanals durch unseriöse Geschäftemacher und Verbrecher ist mir der kleine Spaß nicht wert gewesen. Egal, was der Onkel Journalist in seiner clickbaitigen Tintenkleckserei alles an lustigen Dingen geschrieben hat.

Gebt nirgends eine Telefonnummer an, wenn es dafür nicht einen rational nachvollziehbaren Grund gibt! Ja, ein Bankkonto benötigt eine gewisse Sicherheit. Auch eine Handelsplattform benötigt eine gewisse Sicherheit. Ein Benutzerkonto bei den meisten anderen Websites hingegen nicht, und schon gar nicht bei irgendwelchen Quatschwebsites. Der Schutz des Benutzerkontos durch ein gut gewähltes Passwort ist völlig ausreichend. Ich empfehle unbedingt einen guten Passwortmanager wie KeePaasXC, der gut gewählte, nicht erratbare Passwörter erzeugt und gleich die technischen Mittel mitliefert, diese im Alltag zu verwenden, ohne dass man sie sich überhaupt noch merken kann. Das kostet – abgesehen von den wenigen Minuten im Monat für eine angemessene Sicherung der Passwortdatenbank – nichts. Natürlich gibt es auch Alternativen zu KeePassXC. Aber lasst euch keine Speicherung von Passwörtern und anderen Zugangsdaten in der so genannten „Cloud“, also maximal intransparent auf den Computern anderer Leute, andrehen! Das löst kein einziges Problem, aber schafft dafür ein neues: Ihr könntet auch gleich eure Passwörter veröffentlichen. Ein Passwort ist nur so lange eine gute Sicherheitsmaßnahme, so lange es genau zwei Stellen bekannt ist: Dem Menschen, der sich damit identifiziert, und dem Computer, bei dem man sich damit identifiziert. Kennt ein Dritter das Passwort, ist die Sicherheit dahin. Das Passwort ist auf der Stelle wertlos geworden, es ist nur noch eine simulierte Sicherheitsmaßnahme.

Das ist übrigens eine gute Gelgenheit, mal wieder zu prüfen, ob das benutzte Passwort sicher ist. 😉️

Denen, die einmal mehr denken oder gar sagen, dass ihnen so etwas doch gar nicht passieren könne, möchte ich gern abschließend noch einmal das LKA Niedersachsen zitieren:

Man kann so etwas fast schon als Totalschaden bezeichnen. Besonders wenn Mail- und/oder Mobilfunkaccount in Täterhanden sind, sind viele missbräuchliche Szenarien im Anschluss möglich, da in der Regel zahlreiche, sensible Accounts mit diesen Daten verbunden sind. Selbst vergessene Passwörter können ggf. so wieder hergestellt werden

Totalschaden. Selten, dass die werten Polizeibeamten sich mal so deutlich ausdrücken. Und lobenswert, dass sie sich mal so deutlich ausdrücken.

Lasst es bitte nicht so weit kommen.

Seit äußerst sparsam mit der Preisgabe eurer persönlichen Daten, eurer Mailadressen und vor allem eurer Telefonnummern. Denn wenn man erst einmal von einem geübten Trickbetrüger am Telefon überrumpelt wird – möglicherweise befindet man sich selbst gerade in einer stressigen Lebenssituation – ist die Gefahr groß, dass man auch einen Schaden hat. Wer glaubt, dass ihm das überhaupt nicht passieren könne, ist sogar noch gefährdeter, weil der falsche Glaube unvorsichtig macht.

¹Ein klar unseriöses Geschäftsmodell hat übrigens social media. Es besteht in der Vergällung erwünschter menschlicher Kommunikation mit im Regelfall völlig unerwünschter Reklame.

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