Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


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Montag, 11. März 2013, 16:02 Uhr

Hui, aber gleich zwölffach! Frei nach dem Motto: Der Schwachsinn in der Spam wird viel überzeugender, wenn man ihn wie eine Sintflut in die Postfächer laufen lässt.

Hallo

Diese Methode hat mein Leben verändert, kann es Ihnen auch ändern!

Detail aus der betrügerischen Website, das Gesicht ist von mir unkenntlich gemacht wordenDer Link führt auf eine tolle (wenn auch mit Designschwächen behaftete) Seite unter www (punkt) money (strich) mmm (punkt) ru (slash) de, auf der eine bezaubernde „Michelle“ darlegt, wie sie durch das Martingale-System beim Roulette in irgendwelchen windigen, durch nichts und niemanden kontrollierten und beliebig manipulierbaren Internet-Zockhöllen in nur zwei Monaten eine halbe Million Euro aus dem Nichts gemacht haben will. Das klappt natürlich nur in Casinos, in denen die entzückende „Michelle“ mit ihrem schweren Lebensweg ein paar Affiliate-Groschen dafür bekommt, dass sie den Anbietern von in der BRD illegalen Glücksspielen zahlende Kunden zuschleust. In diesem Fall müssen offensichtlich 65 Euro eingezahlt werden, damit die Judasgroschen für die Halunken sprudeln. Ganz großes Kino, das ich allerdings nicht direkt verlinken werde. Da der frühere Malte Wagner, $Vorname Onlinenebenjob, Dr. Rudolf Richter, Gerhard Frommel, Ben Liez oder Moritz Ahlborg immer noch ganz genau weiß, dass es nachteilhaft für sein betrügerisches Affiliate-Geschäft ist, wenn man frühere Versionen seiner Masche dauerhaft archiviert und einem größeren Leserkreis zur Verfügung stellt, hat er, sie oder es natürlich die Archivierung über WebCite verhindert. Ganz, wie ich es von den früheren Ausprägungen dieser Masche gewohnt bin. Inhaltlich ist es nämlich nichts anderes als der Strunz aus dem Jahr 2010, nur, dass seit über anderthalb Jahren ein „System“ dabei verwendet wird, das auch für diejenigen Deppen verständlich ist, die allen Ernstes daran glauben, dass ihnen ein anonymer Spammer so ganz uneigennützig sagt, wie man im Monat eine Viertelmillion Euro machen kann. Wer das glaubt, versteht eben auch keine übermäßig komplizierte Setzanweisung…

Nun gut, wer unter unbezwingbarer Neugierde leidet und den etwas weitschwafeligen Blah von Kriminellen lesen möchte: Ich habe eine archivierte Version der Seite angefertigt und bei BayFiles abgelegt, wo sie noch mindestens einen Monat lang verfügbar bleiben sollte. Wer das lesen möchte, sollte allerdings JavaScript und alle Plugins im Browser ausschalten, denn es ist unveränderter Code von Kriminellen, der Menschen mit Spam angedreht wurde¹… und nun: Viel Spaß bei der Lektüre! 😎

Zielgruppe Frauen

Interessant bei dieser Version der Spammasche ist, das ein gepflegt „weiblicher Stil“ im Text und auch im Design der Betrugsseite verwendet wird. Auf jegliche rationale Begründung des Systems wird verzichtet, stattdessen muss der ansonsten unbelegte Hinweis reichen, dass die gute Flachfrau als Softwareentwicklerin von Webanwendungen etwas von der Sache versteht und jahrelange Analysen gemacht hat. (Wie man gewisse Designschwächen in Webseiten vermeidet, hat sie allerdings nicht gelernt, und sie hat auch noch keine aufgeweckte Dwölfjähige gefunden, die es ihr erklärt.) Das ist ein bisschen schade, weil es so für mich deutlich weniger zu lachen gibt als bei den früheren, hingestümperten Erklärungsversuchen, warum ein auf jeder seriösen Website als sinnloses System erklärtes Verfahren funktionieren sollte. Die Begründung, warum die ausgedachte Frau – ich habe dem Foto oben einen schwarzen Balken hinzugefügt, weil ich von früheren Versionen der Roulettesystem-Masche weiß, dass einfach Bilder aus anderen Websites verwendet werden und weil wirklich jeder und jede, dessen und deren Bild so missbraucht wird, davon gestraft genug ist – jetzt allen Menschen erklären will, wie man reich wird, ist auch entsprechend „weiblich“ gestaltet: Nachdem ein schönes Märchen von einem unerfreulichen Schicksal geschrieben wird, fast so triefend wie eine typische „Frauenzeitschrift“, erklärt es „Michelle“ so richtig „ganz persönlich“:

Warum ich Ihnen erkläre, wie ich mein Geld verdiene?

Ganz einfach, weil es so viele Menschen gibt, die das Leben ungerecht behandelt hat. Deshalb finde ich, dass diese einfache Verdienstmethode überall bekannt gemacht werden sollte. Sie müssen verstehen, dass ich nicht weniger verdiene, nur weil ich anderen helfe, Es fühlt sich einfach gut an, zu wissen, dass auch andere ein schönes Leben führen, mit ihrer Familie in den Urlaub fahren, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich kaufen können, was sie möchten.

Gut, das Wort „Verdienstmethode“ für Zocken im Internet ist noch stilistisch unpassend und bleibt als Artefakt der früheren Versionen des Textes stehen, aber ansonsten ist es schon recht stilsicher. Und nein, ich gebe jetzt meinen spammenden Mitlesern jetzt keinen Tipp, welches Wort ich in diesem Kontext anstelle von „Vedienstmethode“ genommen hätte… 😉

(Ja, hier lesen Spammer mit. Ich weiß das, weil ich mehrfach meine „besseren Formulierungen“ in der zweiten Welle der gleichen Spam wiedergefunden habe.)

Ich schließe aus dieser Aufmachung, dass bei den Affiliate-Spammern für fragwürdige Internet-Zockhöllen inzwischen (vermutlich wegen sinkender Einnahmen) die Einsicht eingekehrt ist, dass jeder hinreichend dumme Mann im deutschen Sprachraum mittlerweile zum gebrannten Kind geworden ist. Und da haben sich die Kriminellen eben gesagt: Tja, dann nehmen wir jetzt dumme Frauen aus und denken uns für diese „Zielgruppe“ eine passende Ansprache aus und schreiben ein paar hübsche Märchen.

Aus meiner Sicht – Disclaimer: Ich bin Mann – ist das stellenweise durchaus gelungen. Es ist eben eine Erleichterung für die Kommunikation von Bullshit, wenn man nicht scheinbar rational argumentieren muss, sondern emotional wirkmächtige Versatzstücke aus miesen Romanen aneinanderhängen kann. Das Ergebnis…

Was mich angeht, so bin ich noch immer nicht über den tragischen Verlust meines Ehemannes hinweg. Geheiratet habe ich nicht wieder – und will auch gar nicht darüber nachdenken. Die Kinder sind mein Leben und ich tue alles, um bei ihnen sein und ihnen die Liebe geben zu können, die sie brauchen. Sie geben meinem Leben einen Sinn. Deshalb wünsche ich jedem von Ihnen viel Glück – Sie werden es bestimmt genauso weit bringen wie ich und viele andere. Das Wissen, dass ich so vielen Leuten geholfen habe, macht mich glücklich und stark.

…macht zumindest auf mich einen „gefährlichen“ und überzeugenden Eindruck.

Die Frauen unter meinen Lesern kann ich nur zur Vorsicht angesichts solcher Maschen auffordern. Für mich ist die Vorgehensweise relativ neu, und in kommenden Versionen wird sie vermutlich erhebliche Verfeinerungen erfahren.

Aber es weiß ja jedermann und jede Frau, dass mit der Spam nichts Gutes kommt…

Allerdings wurde die Affiliate-Roulettesystem-Masche bislang auch über Twitter, über Facebook, in öffentlichen Web-Foren und in Blogkommentaren vorangetrieben, und nicht alles davon war so plump, dass man es auf dem ersten Blick als Spam erkannt hätte. Vermutlich gab es auch Kanäle, von denen ich nichts mitbekomme.

Da bleibt also nur das „bisschen“ Verstand, das jedem Menschen auf Grundlage seiner ganz normalen Lebenserfahrung sagen sollte: Es ist nicht und niemals möglich, ohne Kenntnisse und Fertigkeiten auf legalem Wege mühelos und nebenbei auch nur vierstellige Euro-Beträge im Monat zu verdienen. Wer solche Möglichkeiten anbietet, ist ein Lügner, der seinen eigenen Vorteil sucht. Wer solche Möglichkeiten über Spam anbietet oder offen ins Web stellt, ist ein Betrüger, der ganz schnell das Geld machen will, um seinen verfeinerten Lebensstil zu finanzieren. Immer. Ohne Ausnahme. Punkt.

Wer mir das nicht glaubt, unterhalte sich bitte zwei bis drei Stunden lang ruhig und entspannt mit einem beliebigen erwachsenen Menschen normaler Lebenserfahrung über dieses Thema.

¹Diese Anmerkung ist ein Nachtrag wegen einer sehr sinnvollen Anmerkung meines Lesers Nudel. Man kann in der Tat gar nicht vorsichtig genug sein, wenn man es mit den Machwerken der Spammer zu tun hat.

6 Kommentare für Sie haben 1 angemeldetes Nachricht

  1. Nudel sagt:

    Ich hoffe, Du hast darauf geachtet, dass Deine archivierte Version keine lustigen Sachen per Javascript macht – Schadcode nachladen oder ähnliche Späße.

    • Da ist zwar der jQuery-Apparat drin verbaut, dazu ein obskur auf geringe Dateigröße optimiertes JavaScript-Gestrokel für einen eingebetteten HTML5-Player, aber nichts wirklich Verdächtiges. Ich kann natürlich drauf reingefallen sein, dass diesmal der Schadcode so offen im Source stand, dass ich ihn nicht gesehen habe…

      Aber der Hinweis ist immer angemessen, ich schreibe mal eine kleine Anmerkung dazu. 😉

  2. […] März warst du noch Michelle, und davor hattest du ganz viele […]

  3. Thomas Arend sagt:

    Michele ist heute wieder in den Postfächern der Nation.

    Ihr Bild stammt übrigens von einer Stock Foto Seite:

    http://www.fotosearch.com/CSP505/k5056588/

    Thomas

  4. Peter sagt:

    Hallo zusammen,

    schöner Bericht.

    Da einige Personen in meinem Umfeld die Mail mit diesem LINK erhalten haben (die alle NICHT in meinen Kontakten vorkommen) und ich nun auch zum Empfänger wurde, habe ich eine Frage:

    Die Empfängergruppen (zu der auch ich ja jetzt gehöre) in all diesen Mails beziehen sich immer auf Kontakte des Absenders. Wie sind die Spammer an diese zusammen gehörenden Mailadressen gekommen?

    Peter

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