Es gibt auch in der Werbung so etwas wie einen GAU, einen größten anzunehmenden Unfall. Der setzt zwar keine Strahlung frei, aber ein hämisches und strahlendes Lachen bei allen, die mit den Ergebnissen dieses Unfalls konfrontiert werden.
Als ich noch Kind war, also vor vielen Jahrzehnten, da gab es im hannöverschen Umkreis regelmäßig Postwurfsendungen eines größeren Händlers für Teppichböden, der seine Verkaufsstätte etwas außerhalb der Stadt hatte. Die Texte waren in ihrer Penetranz erstaunlich monoton, nur ein kleiner Bereich mit den Preisen wurde immer an die aktuellen Angebote angepasst. Damit die Monotonie der Texte aber nicht jedem auffiel, gab es eine Handvoll jahreszeitlicher Vorlagen für den Herbst (Preise fallen), Weihnachtszeit (mit üblichem Kitsch), neues Jahr (richten sie sich neu ein), Ostern (finden Sie unsere Eier im Angebot) und so weiter. Eben der ganz normale Stumpfsinn, der jeden Tag Bäume in Altpapier verwandelt.
So ging das ziemlich unverändert über viele Jahre, und diese Routine hatte offenbar auch die Werber ein bisschen stumpf gemacht. Eines Jahres in den frühen Achtzigern geschah es dann, dass in einem recht kalten Dezember in einigen Stadtteilen Hannovers ein buntes Blatt in die Briefkästen flatterte, das auf die aktuellen Ostereier hinwies, die man dortens als frühlingshaftes Angebot finden könne. Es war wirklich zum Brüllen komisch, ein echter Werbe-GAU. Da es sich viele Empfänger dieser Mitteilung nicht nehmen ließen, unter der angegebenen Telefonnummer anzurufen und mitten in der Weihnachtszeit „Frohe Ostern“ zu wünschen, wurde diese Panne leider viel zu schnell bemerkt – und die anderen Stadtteile bekamen dann den wohl von den Werbern flugs und kulant kostenlos gedruckten, richtigen Weihnachts-Papiermüll.
Ich hatte diese kleine Begebenheit eigentlich schon vergessen. Aber eben fiel sie mir wieder ein, als mir in die Hände fiel, was die gehobene Schnellimbiss-Kette Wienerwald zurzeit in der hannöverschen Südstadt in die Briefkästen stopfen lässt, auf dass sich die Menschen gebratene Käfigvögel in den Bauch stopfen mögen:
Nein, ich habe das nicht aus den Zeiten der diesjährigen Fußball-Veranstaltung aufgehoben, die gleich nach der dabei umgesetzten Währung benannt wurde, aber zum Glück schon seit Monaten vorbei ist. Es ist kein Wunder, dass sich die Werber damals sehr um ihren Anteil an der ziemlich künstlichen Nationaltümelei gekümmert haben, um Deppen mit der affektiven Kraft dieser Show zu unvernünftigen Kaufentscheidungen zu bringen. Damals hat man auch auf vielen Autos kleine Fähnchen gesehen, die durch den Wind gezogen wurden, weil sich das medial gestützte Geschäft der Sportvermarktung gerade lohnte.
Nein, diese Werbung kommt jetzt, etliche Monate nach dem gescheiterten „Sommermärchen“, in die Briefkästen. Der Scan wurde von einer Reklame gemacht, die gestern in einer Nebenstraße der Hildesheimer Straße eingeworfen wurde. Dieser situative Fehlgriff wirkt beinahe wie eine Osterwerbung zu Weihnachten, einfach nur völlig daneben. Aber der humoristische Erfolg ist grandios! Mehrere Menschen haben mich, der ich in Gesprächen auch immer wieder einmal nach besonders misslungener, peinlicher oder dummer Reklame frage, gestern und heute darauf hingewiesen, lachend und kopfschüttelnd. Und da waren durchaus Leute dabei, die noch vor ein paar Monaten ihre Fähnchen aus dem Fenster gehängt haben. Diese Leute fragen sich angesichts dieser Werbung, wie um alles in der Welt man denn jetzt noch mit einem Fußballfeld im Titel und einer Fahne kommen kann. Es ist eben ein echter Werbe-GAU, der da produziert wurde.
Und ich kann mir in diesem Zusammenhang einfach die Frage nicht verkneifen, ob der tolle claim „HENDL@HOME“ wohl bedeuten mag, dass die von euch beauftragten Werber einen Vogel hätten. Oder habt ihr einfach nur noch die Lager voll mit Restbeständen von einem gescheiterten Marketing der letzten Europameisterschaft, und müsst ihr den ganzen Ramsch jetzt irgendwie loswerden? Deutschland ist ein Restbestand, machen wir den Bundesadler zum Grillhähnchen, alles muss raus? Schlecht gemacht… aber wirklich gut verpatzt! 😆