Dies ist eine Liste von Orten und Gegenständen, die für den Transport von Werbung verwendet werden. Es ist beinahe unmöglich, eine solche Liste vollständig zu machen, da die „Kreativität“ der Werber immer wieder neue, noch werbefreie Orte entdeckt, die dann mit dieser einseitigen und dummen Form der Kommunikation zugekleistert werden. Auch macht die tägliche Konfrontation mit diesem Wahnsinn so stumpf, dass man sich damit abfindet und die Wirklichkeit dieser Blickraumverseuchung nicht mehr wirklich zum Bewusstsein dringen lässt.
Die Reihenfolge in dieser Liste ist willkürlich und spiegelt den zähen Kampf meiner Assoziationen gegen die Bewusstlosigkeit und Stumpfheit wider.
- Wände (mit Plakaten, Bemalung, Projektionen)
- Autos (in der Hauptsache Taxis und gewerblich genutzte Fahrzeuge, aber immer häufiger auch auf privat genutzten Fahrzeugen)
- Krankenwagen
- Straßenbahnen
- Busse
- ausgelegte Fahrplan- und Anschlussinformationen
- Fahrkarten
- Pferdekutschen (besonders beliebt bei Brauereien)
- Türen
- Fenster
- Der Himmel (Ballons mit Werbung, Werbezeppeline)
- Straßenrand (zum Teil sehr aufdringlich mit wechselnden Inhalten, wobei mich die Unfallhäufung im Zusammenhang mit dieser aggressiven Form der Werbung wirklich interessieren würde)
- Litfasssäulen
- Sportler (jeder heutige „Profisportler“ ist in erster Linie eine rennende Litfasssäule und wird vor allem dafür bezahlt)
- Bandenwerbung bei Sportereignissen
- Fußballstadien (in letzter Zeit wurde durch Umbenennung bei vielen „Arenen“ der letzte Rest Lokalkolorit abgeschmirgelt)
- Fahrgastraum von Bussen und Staßenbahnen (über den Fenstern und durch Einblendung in Informationssystemen)
- Öffentliche Toiletten
- Pinkelbecken (eingeklebte Werbung, manchmal akustische Werbung bei der Benutzung)
- Innenraum von Toilettenkabinen
- Wand über dem Pinkelbecken
- Aschenbecher
- Mülleimer
- Bierdeckel
- Gläser
- Tassen und Untertassen
- Teller
- Sitzgelegenheiten in Parks und im innerstädtischen Bereich
- „Gesponsorte“ Sozialarbeit
- Zeitungen (in der Regel mehr als 50 Prozent Werbung)
- Zeitschriften (in der Regel mehr als 50 Prozent Werbung)
- Kalender
- Uhren im öffentlichen Raum
- Radioprogramm
- Fernsehprogramm
- Lautsprecherdurchsagen (etwa im Nahverkehr, in Kaufhäusern, in Aufzügen oder bei Veranstaltungen)
- Informationsysteme des öffentlichen Nahverkehrs
- Internetseiten
- Software (vor allem in werbefinanzierten Spielen, aber auch häufig in erworbener Software wie Druckertreibern als Hinweis auf passende „Markenprodukte“ oder andere Software des gleichen Herstellers)
- Mails
- Flugblätter
- Kleidungsstücke und Bettwäsche
- Treppen (auf die Trittflächen oder Stufenabsätze geklebt)
- Wege (aufgeklebt, aufgemalt oder projiziert)
- Schilder an der Straße
- Kassenbons
- Eintrittskarten
- Anlagen zu Rechnungen
- Kontoauszüge (beinahe jede Bank nutzt diese Gelegenheit, um auf ihre tollen Angebote hinzuweisen)
- Einblendungen für die Wartezeit am Geldautomaten
- Postwurfsendungen
- Möbel (einige Menschen zahlen sogar Geld für Möbel, die mit einer aufgedruckten Marke „verziert“ sind)
- Getränkepackungen (seit einigen Monaten wird auch bei TetraPaks eine Fläche mit Werbung bedruckt)
- Mousepads
- Kugelschreiber und Bleistifte
- Flaschenöffner
- Feuerzeuge
- Taschenbücher (sowohl mit Hinweisen auf andere Erscheinungen als auch Werbung für Kapitalanlagen)
- Telefonanrufe
- Telefonbücher
- Servietten in Restaurants
Nach dem Überfliegen dieser mit Sicherheit unvollständigen Liste sollte sich jeder die Frage stellen, welche Räume noch ohne Werbung sind. Die Werber stellen sich diese Frage auch, und sie werden gewiss in den nächsten Jahren einige dieser Räume erobern, etwa die nachfolgend aufgelisteten.
- Särge, Grabsteine und Grabtafeln (eine werbefinanzierte Bestattung kann für die neuen Armen als Alternative zum anonymen Verscharren angeboten werden)
- Toilettenpapier
- Münzen und Banknoten (im Moment ist dafür noch ein dickes Brett zu bohren, aber auch die Notenbanken haben Kosten, die sie gern reduzieren würden oder in Zukunft reduzieren müssen)
- Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge
- amtliche Bescheide
- Werbeunterbrechungen in Telefongesprächen (der Preisdruck auf die Telefonanbieter wird gewiss schon bald solche Blüten treiben)
- Zu Verkehrsschildern (im Stile von: der Ausbau dieser Straße wurde gesponsort von XXX)
- Desktop des Computers (Microsoft hat so etwas schon mit Windows 98 und dem so genannten „Active Desktop“ versucht, war aber damals seiner Zeit „zu weit voraus“, so dass dieser Versuch noch scheiterte)
- Beschallung öffentlicher Räume (das geschieht schon jetzt gelegentlich im Rahmen irgendwelcher Pseudoereignisse)
- Sponsoring von Schulen, Kindergärten, Rathäusern, Altenheimen, Krankenhäusern und öffentlichen Büchereien
- Bei Gottesdiensten und anderen religiösen Veranstaltungen
- Gerichtssaal
- Landtage
- Bundestag
Einige der hier angedeuteten Möglichkeiten werden in einigen Jahren Alltag sein, darüber hinaus noch ein paar weitere, für die ich nicht genügend kranke Phantasie habe.
Der Aufwand, mit dem zurzeit Werbung betrieben wird, ist monströs. Er muss es auch sein, da mithilfe der Werbung eine große psychische Kraft im Individuum unten gehalten werden muss. Die meisten Menschen, die ehrlich zu sich selbst sind, werden unter „Selbstverwirklichung“ etwas deutlich anderes verstehen als die Reduktion des eigenen Selbstes auf das Dasein eines Konsumtrottels. Der Zweck der Werbung ist die Unterdrückung der Lust an der und am Ausleben der eigenen Persönlichkeit, das Ziel der Werbung ist kaufender Konformismus durch genormte, in gut behandelbare Zielgruppen passende Kunden. Jeder industriell produzierte Tinnef wird mit Hilfe der Werbung mit einer psychischen Kraft aufgeladen, die aus sehr persönlichen und gut unterdrückten Quellen stammt und über dieses Vehikel an den Kauftrottel gebracht – als Surrogat für ein wirkliches Leben.
Dem traurigen gesellschaftlichen Zerfall unter dem Diktat der totalen Verwirtschaftung ging ein ebenso trauriger persönlicher Zerfall der meisten Menschen voraus, der ebenfalls unter dem Banner der totalen Verwirtschaftung vonstatten ging. Kaum etwas könnte den deprimierenden, gegenwärtig über die Gesellschaften ablaufenden Prozess besser illustrieren als die Allgegenwart der Reklame.