Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Sir/Madam

Freitag, 1. Mai 2015, 15:20 Uhr

Ja, eines von beiden wird schon meistens stimmen. Ansonsten ist es weder ein Ersatz für einen aussagekräftigen Betreff noch für eine persönliche Anrede.

Diese alles in allem recht lieblos verfasste Spam zur Einleitung eines Vorschussbetruges tut sich einmal mehr dadurch hervor, dass sie Bezug auf aktuelle Nachrichten über fürchterliche Ereignisse nimmt:

Good tidings to you, I am Mrs. Muyassar Ahmadi of Syrian nationality and mother of two kids, at the present time here in the camp for Syrian refugees Turkey. He was killed by terrorist attack in Syria. I need your assistance to receive Seven Million Three Hundred Thousand Euro with a bank in Turkey, which was my late husband deposit. I belief you know of the untold sorrow the scourge of war have
brought to the Syrian people and I beg you to find it in your heart to help us receive the fund and also towards moving out from here to reaffirm hope of survival to my poor kids. I will provide you with more information after I hear
from you. Muyassar.

Eine Frau aus dem Flüchtlingslager mit zwei Kindern, die irgendwo weit weg ein paar Millionen Euro liegen hat – und die einzige Idee, die ihr kommt, um Hilfe zu finden, ist irgendwelche völlig unbekannten Leute anzumailen und diese in einer unverschlüsselten, offen wie eine Postkarte durchs Internet beförderten E-Mail anzuflehen, ihr doch bitte zu helfen, das Geld für die armen armen und so kleinen Kinder flüssig zu machen. Bitte an eine kostenlos und anonym eingerichtete Mailadresse bei Googles Maildienst antworten (diese steht im Reply-To-Header, man kann also auf „Antworten“ klicken), denn mit diesem ganzen Zaster war es der Familie wohl auch niemals möglich, sich irgendwo ein kleines virtuelles Serverchen hosten zu lassen, das wenigstens für etwas Vertraulichkeit sorgt. Diese… wenn man es sehr teuer macht… dreißig Euro im Monat kann man doch einsparen, wer braucht schon Geschäftsgeheimnisse?!

Wie immer: Sehr sehr überzeugend. 😀

Und wie immer: Kalt, menschenverachtend und widerwärtig!

Da braucht man gar nicht mehr in den Mailheader zu schauen und erwartungsgemäß festzustellen, dass diese Spam nicht etwa aus einem türkischen oder syrischen Internetcafé kommt, sondern (in meinem Exemplar) von einer IP-Adresse aus den Vereinigten Staaten versendet wurde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen mit Schadsoftware gekaperten und in ein Botnetz eingefügten Computer anderer Leute – schließlich tragen diese Halunken nicht so gern Handschellen. Und nein, obwohl die (gefälschte) Absenderadresse in der Domain gmail (punkt) com liegt: Die IP-Adresse gehört nicht zu Google und die Spam hat niemals auch nur einen Server von Google gesehen…

Wenn die hier versuchte Nummer mit den aktuellen Flüchtlingskatastrophen für die Spammer „erfolgreich“ sein sollte, gehe ich davon aus, ähnliches demnächst auch in deutscher Sprache zu lesen. Deshalb: Vorsicht! Vor allem, wenn Menschen irgendwelche Unbekannten um Hilfe bitten, größere Geldbeträge (oder Wertsachen aller Art) zu transferieren und dafür verlockend große Gegenleistungen anbieten. Niemand, der noch bei Troste ist, würde so etwas einem völlig Unbekannten anvertrauen, von dem er nur eine Mailadresse und sonst gar nichts kennt! Und niemand, der für neunundneunzig Eurocent kritischen Verstand hat, sollte auf die Idee kommen, auf eine derartige Geschichte hin auch nur ein paar Euro als Vorleistung vollständig anonym über Western Union oder MoneyGram ins Unbekannte zu beamen. Dieses Geld kommt nicht Flüchtlingen zugute, sondern dem lokalen Autohändler, dem Kokaindealer und dem lokalen Bordell irgendwo in dieser Welt, wo eine widerliche, menschenverachtende Bande von Betrügern sitzt.

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