Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Könntest Du mein Freund sein?

Mittwoch, 22. Juni 2011, 14:48 Uhr

Hallo!

Ich bin eine Frau mit Geschlechtskrankheit. Es ist sehr schwer für mich. Könntest Du mein Freund sein?

Hier ist mein Info:
http://www.positivsingles.de/i/kristina

Liebe Grüße Kristina

Nein, „Kristina“, du bringst da etwas durcheinander. Du bist ein Spammer mit Gehirnkrankheit, der wahllos alle möglichen Postfächer mit Müll zuballert, und Freunde wirst du niemals haben. Dafür hast du viele Menschen dazu gebracht, dass sie sich bei der Vorstellung freuen, dass du langsam, einsam und qualvoll verrecken könntest.

Und die von dir so angepriesene Website ist auch mal wieder eine ganz tolle! Wenn die nicht durch Spam an den Kunden gebracht werden sollte, hätte ich sie sogar für echt gehalten – die ganze Site ist wirklich verdammt gut gemacht, und damit meine ich jetzt nicht, dass sie mit auffallender grafischer Exzellenz zu überzeugen sucht, sondern mit innerer Konsistenz und durchschaubarer Struktur. In der üblichen Stümperei der Spam ist das mal eine angenehme Abwechslung. Sogar die deutsche Sprache des kanadischen Anbieters

SuccessfulMatch / PositivSingles.de
5334 Yonge Street, Suite 141
Toronto, Ontario M2N 6V1
Kanada

…ist weitgehend frei von Peinlichkeiten. Ach, übrigens „kanadisch“, der Domaininhaber mit seinem chinesischen Namen hat zum Registrieren der Domain eine Adresse in den USA angegeben – und trotz seiner tollen Internetdienste nur eine kostenlos und anonym einzurichtende Mailadresse bei AOL, was nicht gerade mein Vertrauen erweckt. Aber wenn man dieser Mailadresse nicht traut, kann man ihm ja unter seiner Faxnummer +1-11111111 eine kleine Nachricht übermitteln… :mrgreen:

Tja, irgendwo stümpern Spammer eben immer. Wenn sie sich Mühe geben würden, denn würden sie sich ihren Lebensstil wohl auch nicht mit Internetkriminalität finanzieren, sondern von den Früchten ihrer Mühe leben.

Aber zurück zur Site. Die soll natürlich eine Dating-Site sein, und deshalb kann man sich da auch „KOSTENLOS Registrieren“ (das sagt nichts über weitere Kosten) und den üblichen Datenstriptease machen. Die kleine Checkbox, dass man die AGBs und den Datenschutz gelesen [sic!] hat, ist freundlicherweise schon angekreuzt – nicht, dass noch jemand anfängt, die AGB zu lesen. Das ist für einen Menschen deutscher Zunge auch ein bisschen erschwert. Da stehen übrigens lustige Dinge drin, zum Beispiel, dass…

3. PROFILE SHARING AND DISTRIBUTION
To expand the availability of profiles on SuccessfulMatch sites, profiles may be shared with other sites within the SuccessfulMatch Network. By posting or maintaining a profile on this or any other SuccessfulMatch Network site, you agree and consent that said profile shall be subject to placement on other SuccessfulMatch Network sites, at the discretion of SuccessfulMatch, without further notice.

…die eingegebenen Daten und das angelegte Profil auch einfach in anderen Zusammenhängen verwendet werden können. Scheiß auf die Geschlechtskrankheit, so etwas kann man noch als Lockvogel für ein beliebiges anderes Angebot nehmen. (Implizit nicht aufs Dating beschränkt.)

Na, und wer da ein Foto hochlädt oder jemanden anders eine Nachricht zukommen lässt (man will sich ja kennenlernen)…

4.3 Anytime you as a Member and/or Standard member upload files, messages, enter data or engage in any other form of communication, individually or collectively, within the Site, you grant to SM.com a perpetual, world wide, irrevocable, unrestricted, non-restricted, non-exclusive, royalty-free license to use, including but not limited to promotional and advertising purposes […]

…gewährt dem tollen Anbieter unter anderem das Recht, dieses Material für Werbezwecke zu gebrauchen. Und zwar ohne jede Einschränkung. Um hochauflösendes Bildmaterial wird zwar nicht gebeten, aber ich befürchte, es wird kommen.

Mein Favorit in diesen TOS ist allerdings der folgende Punkt:

8.5 You agree not to transmit „junk mail“, „spam,“ „chain letters,“ or unsolicited mass distribution of email […]

Schön, wie sich hier ein mit Spam in die Aufmerksamkeit gezwungenes Ding dagegen verwehren will, zur Plattform für andere Spammer zu werden. 😀

Dass man sich „KOSTENLOS Registrieren“ kann, sagt ja nichts über weitere Kosten, wie ich oben schon angemerkt habe. Ich habe jetzt keine Lust gehabt, mich durch die ganze von Spammern beworbene Website zu klicken, um Hinweise auf verdeckte Kosten zu finden, aber ich glaube, dass Punkt 11 der TOS für sich selbst spricht, denn dort…

11. PAYMENT TERMS
11.1 For purposes of your use of our Service, you agree to provide us with true, accurate and complete information as required by the subscription or sign up process („Subscription Data“), including your legal name, address, phone number, email address and other billing information (e.g., credit card number and expiration date), and to allow us to share your Subscription Data with third parties for the purpose of verifying the information you provide and billing your credit card or otherwise charging your account.
11.2 Payment for the Service may be made by credit card or other means by which SM.com authorizes.
11.3 The monthly service charges are subject to change without any notice.
11.4 You agree to promptly inform SM.com of apparent breaches of security, such as loss, theft, or unauthorized disclosure or use of an ID or password. Until SM.com is notified by e-mail of a breach in security, the Member will remain liable for any unauthorized use of the service.

…geht es ausschließlich ums Bezahlen. Ob sich das angeischts dieser riesigen, überwältigenden, gigantischen, außerordentlich aktiven Nutzergemeinschaft der Site wohl lohnt? Möge sich jeder selbst ein Bild davon machen.

Kleine Anmerkung eines Nichtjuristen: Wer auf diese Site reingefallen ist und auf einmal Geld dafür legen soll, sollte sich auf jeden Fall weigern. Es gibt nirgends einen Kostenhinweis. Selbst die AGB in englischer Sprache enthalten einen solchen Hinweis nur stark verklausuliert. Ob eine einfache und praktischerweise schon angehakte Checkbox hinreicht, auf einer deutschsprachigen Website englischsprachige AGB mit teilweise überraschenden Punkten zum Bestandteil eines Vertrages zu machen? Es würde mich sehr wundern, wenn das ein einziger Richter in der Bundesrepublik das so sähe.

Ach ja, den Datenschutz hat man ja auch gelesen und ihm zugestimmt – wer das wirklich getan hat, wird allerdings aus dem Lachen nicht mehr herausgekommen sein. Hier ein paar Leckerbissen aus dem englischen Dokument mit „deutschen“ Einsprengseln:

bitte Notiz SM.com reserviert das Recht, unsere Datenschutzrichtlinie zu irgendeiner Zeit zu verändern. […] Jedes Mal Sie besuchen die Seite oder versorgen uns mit Informationen, nehmen Sie in dieser Datenschutzrichtlinie zu dieser Zeit beschriebenen Praktiken an. […]

Cookie Dateien gespeichern in Ihrem Computer werden für Aufzeichnung benutzt, die Zwecke auf einigen Webseiten haben, einschließlich SM.com. Wir können auch Cookies verwenden, um Inhalte speziell auf Ihre Interessen zu liefern, um Ihr Passwort zu speichern, und wenn Sie entscheiden, andere persönliche und finanzielle Informationen zu speichern, so dass Sie sich nicht erneut geben, jedes Mal wenn Sie die Seite besuchen. Dritter Inserenten auf der Website kann aufgeben oder auch Ihre Cookies in Ihrem Browser lesen. Um diese Cookies zu deaktivieren, gehen Sie auf die „Hilfe “ in der Symbolleiste Ihres Browsers, und dies sollte Ihnen sagen wie. […]

Na, da scheint wohl jemand keine Lust gehabt zu haben, einen Dolmetscher zu bezahlen. Das ist vielleicht auch besser so, denn die Betreiber räumen sich in dem vorsätzlich verwirrend formulierten Text weitgehende Rechte zum Umgang mit den erfassten Daten ein.

Stellt sich eigentlich nur noch eine Frage. Was ist das „Geschäftsmodell“ hinter diesem Schwindel – neben der Erweiterung der Adressdatenbanken der Spammer, die so auch noch Informationen über Krankheiten enthalten?

Ich weiß es nicht und ich habe zurzeit nicht die Muße, es einmal mit einer Testanmeldung herauszubekommen, aber ich vermute, dass der Beschiss ähnlich funktionieren wird wie bei den „Russian Ladies“. Nur, dass jetzt zur Abwechslung einmal Menschen abgezockt werden, die es krankheitsbedingt schwer haben, einen Partner zu finden. Und das erfüllt mich mit dem Verlangen, mich zu übergeben.

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