Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Kommentar- und Trackback-Spam

Samstag, 26. Juni 2010, 14:14 Uhr

Zur Abwechslung einmal keine Spam, sondern ein längerer Text über Spam.

Zitat Webmaster Friday: Kommentar-Spam und Trackback-Spam:

[…] Trackbacks bzw Pings auf Artikel, die entweder nichts weiter enthalten als den ersten Satz meines Artikels, oder […] endlose Texte mit “Top-Artikel der letzten Woche” […] Habt ihr schon Kommentare oder Trackbacks erhalten, wo ihr Euch nicht sicher ward, wie es einzuschätzen ist? Was tun?

Blog-Spam bleibt weiterhin ein Problem. Nur: wo ist die Grenze? Wenn jemand einen Blog oder eine Website startet, dann raten alle – sogar Google – sich und die Seite via Social Web bekannt zu machen. […]

Wie geht ihr dabei vor?

Es ist (leider) eher selten, dass ich eine beim „Webmaster Friday“ aufgeworfene Fragestellung auch nur interessant genug finde, darüber nachzudenken, und um so besser trifft diese Frage nach der manchmal eher feinen Grenze zwischen Blogkommentar, vernünftigen Trackback oder Pingback und offener Spam. Da ich an dieser Stelle sonst eher über den alltäglichen Wahnsinn der Spam in ihren vielen Darreichungsformen schreibe, zur Abwechslung einmal ein etwas längerer Text, der sich nicht auf eine Spam bezieht, sondern auf die Erkennung einer Spam, auf die Frage, welche Formen der Kommunikation im Blog ich als Spam behandle und auf Grundlage welcher Maßstäbe ich das tue.

Kommentarmöglichkeiten sind unerlässlich

In meinen Augen gehört der Rückkanal über die Kommentarmöglichkeit unabdingbar zu einem Blog dazu. In einigen anderen Blogs gewinnen einige Beiträge sogar erst durch die Kommentare meiner Leser, die allerlei Korrekturen, Anmerkungen und Ergänzungen bringen.

Die so technisch klingenden Begriffe „Trackback“ und „Pingback“ sind an sich nichts anderes als eine Erweiterung des Kommentarbegriffes. Wenn ich ein Blog betreibe, kommt es sehr leicht dazu, dass ein Kommentar, die ich an anderer Stelle schreiben möchte, zu einem ganzen Beitrag in meinem Blog werden könnte. Wenn das Blog auf anderen Seite Trackbacks gestattet, nimmt mir das hier verwendete WordPress (und natürlich auch jedes andere Blogsystem, ebenso etliche Forensoftware) die Handarbeit ab, selbst mit einem Kommentar im Blog auf meinen Artikel hinzuweisen. Die im Hintergrund laufende Technik – die Hauptsache beim Bloggen ist ja immer noch dieses fröhliche „Ich verfasse einen neuen Text“, und die Technik ist dabei niemals vordergründig – erledigt also etwas, was Technik immer sein sollte, sie ist eine Vereinfachung des Vorganges. Das Blog auf der anderen Seite kann diese Rückbezüge (das klingt doch gleich hübscher als das unverständliche „Trackbacks“) in mehr oder minder angemessener Weise darstellen. Im Regelfall erscheint der Rückbezug als Kommentar mit Link auf den Text, der verlinkt hat, oft werden solche „technischen“ Kommentar aber entweder unterdrückt oder in gesonderter Weise dargestellt.

Natürlich ist das nicht von jedem Blogbetreiber erwünscht. Es gibt zum einen Blogs, die jede Kommentarmöglichkeit abschalten (was wohl auch am häufigen Missbrauch von Kommentarmöglichkeiten durch Spammer liegt), zuweilen werden aber auch einfach die automatisch erstellten Rückbezüge abgeschaltet (was wohl auch am häufigen Missbrauch… ach, ich wiederhole mich). Das liegt völlig im Ermessen des Blogbetreibers, und zumindest ich gehe davon aus, dass ein Blogbetreiber dafür einen Grund hat. Nur in seltenen und sehr gut begründeten Fällen setze ich so etwas wie einen „manuellen Trackback“ bei einem Blog, das Trackbacks unterbindet.

Neben dem Bloggen als texterzeugende Tätigkeit gibt es ja auch noch etwas, was inzwischen weitgehend über Twitter erledigt wird: Das schnelle Rauspusten von interessanten Links mit kurzen Anmerkungen, wie ich es zum Beispiel im Blah-Blog (meinem persönlichen Twitter, wie ich manchmal sage) pflege. Auch in solchen Fällen wird ein automatischer Rückbezug gesetzt, und er wirkt schon weniger sinnvoll. Doch selbst derartige Rückbezüge geben dem Leser des so verlinkten Blogs und natürlich auch dem Bloggenden noch einen Eindruck von der Rezeption eines Beitrages. Ich betrachte es noch nicht als eine Form der Spam. Warum nicht? Nun, dafür muss ich kurz erläutern, was Spam ist.

Was ist Spam?

Es ist gar nicht so einfach, mit kurzen Worten zu erklären, was Spam eigentlich ist.

Es handelt sich bei Spam um die (meist automatische und preisgünstige) Nutzung von Kommunikationskanälen (wie etwa Mail, Blogkommentare, Foren), um damit eine Wirkung zu erzielen. Die Wirkung kann sein, auf ein Produktangebot hinzuweisen, eine Website bekannt zu machen oder (im Regelfall) kriminelle „Geschäfte“ aller Art zu befördern. Manchmal richtet sich Spam direkt an Leser, bei Blogs ist sie aber oft eher indirekt, indem die damit verbundene Verlinkung das Ranking bei Suchmaschinen manipulieren soll. Diese Kommunikationskanäle wurden aber ursprünglich nicht zur Erzielung derartiger Effekte ersonnen, sondern sie bestehen, um Menschen die Möglichkeit einer sozialen Interaktion, einer Kommunikation einzuräumen. Die menschliche Tätigkeit der Kommunikation ist durch die Spam beschädigt. Wenn ich gar keine Spam herausfilterte (und gelegentlich händisch löschte), denn würde jede Kommunikation in dieser Massenpest untergehen; die eigentliche Daseinsberechtigung für die interaktiven Bestandteile der Website wäre zerstört. Hier in „Unser täglich Spam“ gibt es zum Beispiel einen Einzelartikel, der nur sehr wenig Kommentare hat (wie es hier generell wenig Kommentare gibt), der aber in den letzten sechs Monaten beinahe sechtausend Mal das Ziel von Spamversuchen geworden ist, weil die Spammer (oder ihre Skripten) glaubten, dass die Artikelüberschrift ein gutes „Biotop“ für den gewünschten Effelt sei.

Meine liebste Definition für Spam ist: Spam ist das, was man möglichst still und automatisch entfernen muss, damit die eigentliche, soziale und zwischenmenschliche Funktion eines technischen Angebotes erhalten bleibt. Das Internet ist ja nicht ein realdadaistischer technischer Selbstzweck, sondern es ist ein Netzwerk von Computern, das Menschen zusammenbringen soll. Für Spammer ist es eher ein Netzwerk von Computern, das Menschen „angeln“ soll.

Ich bin, was „echte“ Kommentare anbelangt, sehr duldsam. Selbst handfeste Beleidigungen und Drohungen gegen meine Person lasse ich stehen, weil ich darauf vertraue, dass die Leser solcher Einlassungen diese zu werten wissen. Sachliche Kritik ist mir allerdings lieber. (Na gut, hier in diesem gallgewürzten Spamblog ist dafür kaum Raum.) Auch sehe ich es noch nicht als eine Form der Spam an, wenn ein „echter“ Kommentar einen Link auf eine kommerzielle Website enthält, so fern nicht völlig klar ist, dass es sich hier um einen Spamlink handelt. Allerdings entferne ich Links auf pornografische Seiten, auf Angebote, die durch Spam beworben werden und auf volksverhetzende oder sonstige, offensichtlich strafbare Inhalte. Wer das angesichts der Haftung für solche Links nicht verstehen kann, bekommt dafür auch keine weitere Erklärung.

Wie erkenne ich Spam?

Das Folgende bezieht sich vor allem auf Spam in Blogs, aber selbst bei diesem Sonderfall ist es für mich sehr schwierig, Regeln zu formulieren:

  1. Spam ist keine „soziale“ Tätigkeit
    Ein Spammer benutzt den Kommentar (oder Trackback) nicht oder nur sehr vordergründig für die zwischenmenschlichen Möglichkeiten, für welche die Kommentare eigentlich gedacht sind. Er sieht darin sehr einseitig ein Mittel, um einen „Effekt“ zu erzielen – sei es direkte Werbung, sei es indirekte Werbung durch spammige „Suchmaschinenoptimierung“, sei es das Bekanntmachen fragwürdiger Angebote oder Standpunkte.
  2. Der Name ist (unangenehmer) Schall und (stinkender) Rauch
    Jeden Tag darf ich mit beständigen Missvergnügen erleben, wie einige die Angabe „Homepage“ in einem typischen Blogkommentar verstehen. Sie sehen, dass der ebenfalls angegebene Name mit dieser „Homepage“ verlinkt wird und halten das für ein tolles, kostenlosen SEO-Vehikel. Diese Art Spam wird sogar häufig handgeschrieben, man merkt aber der Oberflächlichkeit dieses „Kommentierens“ an, dass nur Schlagworte aufgegriffen und schnell zu einer „Reaktion“ transformiert werden, um wie ein „richtiger“ Kommentar auszusehen. Nichts gegen die Verwendung von Nicks und Pseudonymen (auch von Pseudonymen, die auf die Wirkung im Kontext des Kommentares hin ersonnen sind), aber wie viele Leute da draußen mit Namen wie „Online Poker“, „Günstige Taschen“, „Schuhe“, „Medikamente“ und dergleichen mehr gestraft sind, das ist schon erstaunlich. Allein dieser Missbrauch des Namensfeldes reicht bei mir hin, dass ich einen Kommentar als Spam betrachte und behandle.
  3. Massenware, Massenware, Massenware
    In den letzten Monaten sieht man immer häufiger, dass gewisse Blogger (deren Blogs meist an sich nicht gerade lesenswert und interessant sind) unter ihren oft hingestümperten Posts eine längere Liste von „ähnlichen“ oder „verwandten“ Blogeinträgen anlegen, die sie wohl über die Google-Blogsuche finden und bei denen dann entsprechende Pingbacks hinterlassen werden, um für eine automatische Verlinkung zu sorgen. Allein die Tatsache, dass derartige Links Massenware sind, zeigt den Spamcharakter des Vorgehens – zumal die so verlinkten Blogs bestenfalls in Hinblick auf darin aufscheinde Begriffe eine „Ähnlichkeit“ oder „Verwandtschaft“ aufweisen, nicht jedoch auf inhaltlicher Ebene.
  4. Legal, illegal, scheißegal!
    Wer in einem Kommentar (ohne ganz besonderen und deutlich werdenden, im kommentierten Artikel verwurzelten Grund) einen Link auf ein illegales Angebot – wie etwa Glücksspiel, dubiose Online-Apotheken, nachgemachte Markenartikel – setzt, wird von mir ganz sicher als Spammer rausgeworfen. Wer meint, über so etwas schreiben zu müssen, mache bitte ein eigenes Blog auf und tue dies nicht auf Kosten der Linkhaftung anderer Menschen.
  5. Hallo? Thema?
    Trotz aller meiner Duldsamkeit: Wenn ein Trackback aus einem Blogartikel kommt, der nicht einmal am Rande etwas mit dem Thema im so verlinkten Beitrag zu tun hat, ist es Spam. Da geht es nur um den „Effekt“ der Verlinkung, nicht um Kommunikation. Oft erscheint bereits der Titel des so verlinkenden Blogbeitrages derart verdächtig, dass ich mir die Sache kurz anschaue, und fast immer habe ich mit meinem Verdacht recht. Ich durfte dabei sogar schon „Blogtexte“ lesen, bei denen jedes einzelne Wort zu anderen Blogs verlinkt war, so dass auch noch die Erscheinung „Massenware“ hinzu kommt. Heute sind Blogspammer allerdings meist etwas vorsichtiger und verlinken einen kleineren Teil ihrer (meist lieblos zusammenkopierten) Textkörper.
  6. Was für ein Blog‽
    Oh, das pingende oder trackbackende Blog heißt „Schöne Handtaschen“, „Poker Strategie“, „Roulette Systeme“, „Alles für ihr Baby“, „Wohnungen mieten“ (alle fünf schon gehabt) oder ähnlich dubios? Spam!
  7. Rückblick
    Immer wieder einmal überfliege ich auch die als „regulär“ erkannten Kommentare nach auffälligen Mustern und werde spektisch, wenn eine gewisse Menge von einer einzelnen IP-Adresse kommt. Einige geschickt vorgehende Spammer legen unter den angegebenen oder verlinkten Adressen richtige Blogs an, die erst später durch spammige Nullseiten voller Angebote, die die Welt nicht gebraucht hätte, ersetzt werden. Ich befürchte, dass diese Art Kommentarspam (meist handgeschrieben) in Zukunft noch zunehmen wird und ich spekuliere auch öfter darüber, ob es sich hier um eine Verwendung von preiswerten 1-Euro-Jobbern als Spamarbeiter handelt. Denn die Kommentare wirken bei dieser Vorgehensweise recht unverdächtig; während die Hinterhältigkeit dieses Spammens den Eindruck eine gewissen kriminellen Energie erweckt.
  8. „Click here“ & Co.
    Diese beiden aufeinanderfolgenden Wörter sind eine der häufigsten Phrasen in Spam (auch in englischsprachiger Blogspam), und sie kommen praktisch niemals in „echten“ Kommentaren vor. Es gibt da noch ein paar Phrasen mehr, die ich in meiner Liste habe, aber „Click here“ schlägt alles. Diese sehr einfache Regel killt zurzeit sechs Prozent meiner Kommentarspam, und da ist seit Monaten keine Fehlerkennung dabei gewesen. Übrigens ist es auch ein recht dummer Text, denn man kann ohne weiteres auch eine sinnvolle textuelle Beschreibung wählen, wenn man schon einen Link setzt. Das sollten sich nicht nur Spammer hinter die Ohren schreiben!

Das sind nicht alle Regeln, nach denen ich Spam erkenne, sondern nur die, derer ich mir selbst bewusst bin. Es gibt immer wieder Grenzfälle, bei denen die Entscheidung, ob es sich um Spam handelt, alles andere als leicht ist. Im Zweifelsfall bin ich dabei für den Kommentar, es kann allerdings passieren, dass ich einen Kommentar editiere und einen spammigen Link daraus entferne – vor allem, wenn ich diesen Eingriff für besser halte als meine einzige Alternative zu diesem Vorgehen, welche im ersatzlosen Löschen besteht. Zum Glück werde ich nur selten vor derartige Entscheidungen gestellt.

Aber wie bekommt man dann Links unter?

Es ist in meinen Augen nichts Verwerfliches darin, einen Link unterzubringen, wenn dieser…

  1. …ein Link auf eine persönliche Homepage ist, die zusammen mit einem Kommentar angegeben wird. Natürlich kann diese bei Unternehmern auch eine Firmenhomepage sein. Ich habe bis jetzt jedem durch Missbrauch der Firmierung von Spam geschädigten Unternehmen, das ich in diesem Blog erwähnt habe, den Link auf seine Website gegönnt – allein schon, damit deutlich und findbar Stellung zur Spam-Kriminalität im fremden Namen bezogen werden kann.
  2. …ein sinnvoller Link im Rahmen des damit kommentierten Artikels ist. Sinn zeigt sich darin, dass man ihn nicht an den Haaren heranziehen muss, sondern dass er sich wie von selbst durch einen einfachen Hinweis (oder den Text eines Kommentares) darlegt.
  3. …auf ein ohne Gewinnerzielungsabsicht betriebenes und unzweifelhaft legales Projekt im Internet geht. Allerdings gehe ich schon beim Anblick eines einzigen Werbebanners oder Google-Ads oder ähnlichen Infoschrotts (ja, ich habe auch etwas gegen die Pest der legalen Reklame) von einer Gewinnerzielungsabsicht aus, die meinen Maßstab an die Legitimität des Links entsprechend erhöht.

Natürlich treffe ich auch dabei meine Entscheidungen autoritär und despotisch, um keine Despotie der Dummheit entstehen zu lassen. Erfreulicherweise haben die meisten „richtigen“ Menschen dafür volles Verständnis.

Abschließendes

Wer eine eigene Website (auch eine kommerzielle Website, natürlich – ich bin ja bei allem Hass gegen Werbung kein Traumtänzer) bekannt machen möchte, wird sowieso darauf achten, dass dieses Streben nicht schon von Anfang an seine Reputation vernichtet. Persönliches Kommentieren, zum jeweiligen Thema und Umfeld passendes Kommunizieren und die Verwendung des Gestaltungsmittels „Verweis auf eine andere Website“ in einer nachvollziehbaren und im jeweilgen Kontext vernünftigen Weise (etwa als Hinweis: „Wir haben zu dieser Angelegenheit auch einen Standpunkt auf unserer Website veröffentlicht“) wird von niemandem als Spam angesehen werden, sondern als wichtige Ergänzung. Wenn sich die unternehmerische Benutzung des Internet auch noch mit einer menschlichen Note verbindet, die deutlich jenseits der aufdringlichen Reklametrommel der Presseerklärungen erklingt, denn kann dies sogar eine sehr wirksame Werbung sein, die den Vorteil hat, nicht als aufdringliche Last, sondern zuweilen sogar als Lust empfunden zu werden. Sicher, das geht nicht nebenbei. Aber es lohnt sich, und es ist über jeden Spamverdacht erhaben.

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