In die Hall of Shame kommen nur die ganz Harten. Die, bei denen sich der mutige Einsatz von Technik und das Streben nach gestalterischer Exzellenz mit unfassbarer Stümperei paart. Die, bei denen die Worte erst einmal Luft holen müssen, ehe sie das Gesehene beschreiben können. Die, bei denen die Dreistheit und Dummheit das gewöhnliche Maß der Dreistheit und Dummheit in der Spam weit hinter sich lassen. Wenn du hier landen willst, Spammer, denn musst du dir schon Mühe bei deiner Müllproduktion geben…
DISCLAIMER: Diese Spam mit besonders ranzigen Geschmack wurde mir von einem Menschen zugesteckt, der das Internet ausschließlich über das Netzwerk einer großen deutschen Universität verwendet (kein persönlicher Internetanschluss) und deshalb niemals eine individuell identifizierbare IP-Adresse bei seiner Internet-Nutzung hat. Die bedrohlich klingenden Aussagen in der zitierten Spam sind also mit Sicherheit erlogen – zumal bei der Zuordnung eines Surfers zu einer IP-Adresse beim Zugangsprovider keine Mailadresse ermittelt werden könnte, sondern lediglich eine Postanschrift, so dass derartige Briefe immer mit der Sackpost kämen. Ob der in der Spam namentlich benannte Anwalt eine existierende Person ist oder ob es sich bei Videorama GmbH um die Firmierung einer wirklichen Unternehmung handelt, habe ich wegen eines Anfalles akuter Unlust nicht weiter recherchiert. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass Spammer reale Namen und Firmierungen für ihre betrügerischen Drecksmails verwenden und auf diese Weise Namen und Firmierungen in den Schmutz ziehen.
Nachtrag: Der betroffene Rechtsanwalt gleichen Namens distanziert sich zurzeit auf seiner Homepage vom Missbrauch seines Namens für diese Betrugsmasche. Hier hat betrügerische Spam wieder einmal Schaden angerichtet und den Namen eines Menschen mit kriminellen Machenschaften verknüpft und damit beschmutzt. [Danke für den Hinweis an Schnurps]
Die folgende, HTML-formatierte Spam kommt mit dem Absender „Rechtsanwalt Florian Giese“, Mailadresse giese (at) ra-giese.info
ins Postfach. Es ist davon auszugehen, dass auch andere Namen und Absenderadressen bei dieser Betrugsnummer verwendet werden:
Guten Tag,
Immer die gleichen Stümpereien!
Wie immer in einer Spam ist es dem Absender nicht möglich, die vielen Empfänger seiner Drecksmails namentlich anzusprechen, und deshalb muss er unpersönlich bleiben. Obwohl doch angeblich laut Betreff ein „Ermittlungsverfahren gegen Sie“ eingeleitet wurde. Dabei wird doch wohl gegen eine Person ermittelt, nicht gegen eine Mailadresse, oder?! Schließlich…
in obiger Angelegenheit zeigen wir die anwaltliche Vertretung und Interessenwahrung der Firma Videorama GmbH,
Munchener Str. 63, 45145 Essen, an.
…geht es ja um einen „ernsthaften“ Rechtsvorgang. 😀
Klar, dass dabei auch eine angemessene, eiskalte Sprache produziert werden muss, damit das überzeugend wirkt:
Gegenstand unserer Beauftragung ist eine von Ihrem Internetanschluss aus im sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerk
begangene Urheberrechtsverletzung an Werken unseres Mandanten. Unser Mandant ist Inhaber der ausschliesslichen
Nutzungs- und Verwertungsrechte im Sinne der §§ 15ff UrhG bzw. § 31 UrhG an diesen Werken, bei denen es sich um
geschutzte Werke nach § 2 Abs 1 Nr. 1 UrhG handelt.
[Zeilenumbrüche aus dem Original übernommen, die Absender dieser HTML-formatierten Mail wissen offenbar nicht, wie man in einer HTML-formatierten Mail angemessene Formatierung erreichen kann.]
Sogar das hübsche Sonderzeichen für die Paragrafen hat das Spammerchen hinbekommen. Leider war der Umlautbeauftragte der Kanzlei gerade im Urlaub, so dass die Werke nur durch die aufgeführten Paragrafen „geschutzt“ sind – und dieses „ß“ ist ja auch nicht gerade trivial, wenn man ein spammender Stümper ist. Zumindest das Letztere macht ja gar nichts, denn nach etlichen Reformen der nachreformierten Rechtschreibung wissen viele Menschen gar nicht mehr, wann diese völlig überflüssige Ligatur geschrieben wird und wann nicht.
Den Spammern sei an dieser Stelle empfohlen, sich von einem vierjährigen Nachwuchshacker erklären zu lassen, wie man HTML-Entities schreibt.
Durch das Herunterladen urherberrechtlich geschutzer Werke haben sie sich laut § 106 Abs 1 UrhG i.V. mit
§§ 15,17,19 Abs. 2 pp UrhG nachweislich strafbar gemacht.
Ja, ist ja gut. Viele Paragrafen und eine „nachweisliche“ strafbare Handlung – nur bleibt ein bisschen offen, wer diese Handlung begangen haben soll. Fragt sich nur noch, wie „nachweislich“ das nun ist.
Bei ihrem Internetanschluss sind mehrere Downloads von musikalischen Werken dokumentiert worden.
Oha, es wurde bei meinem Internetanschluss „dokumentiert“. Klar doch, das richtet sich an technische Laien – denn jeder Mensch mit einem Hauch von Grundlagenkenntnissen weiß, dass bestenfalls eine IP-Adresse auf der anderen Seite der Verbindung dokumentiert würde, die erst einmal über den Zugangsprovider zu einer Person zugeordnet werden müsste. Aber das kommt ja noch, wenn auch etwas unbeholfen…
Aufgrund dieser Daten wurde bei der zustandigen Staatsanwaltschaft am Firmensitz unseres Mandanten Strafanzeige
gegen Sie gestellt.
Aktenzeichen: 230 Js 413/10 Sta Stuttgart
Ihre IP Adresse zum Tatzeitpunkt: 84.190.31.155
Illegal heruntergeladene musikalische Stucke (mp3): 13
Illegal hochgeladene musikalische Stucke (mp3): 21
Die IP-Adresse ist beim konkreten Empfänger dieser Mail sehr durchschaubar falsch. Aber es richtet sich ja an technische Laien, und die wissen nun einmal nicht, wie man nähere Informationen herausbekommt, welche IP-Adressen von welchem Zugangsprovider verwendet werden. Erfahrene Menschen tippen whois -H 84.190.31.155
und lachen sich einen Ast wegen der dummen Lüge – denn in diesem Fall kam das Internet nicht über die Deutsche Telekom…
Doch die Unerfahrenen sollen hier gefangen werden, und dabei schrecken die Spammer auch nicht davor zurück, im Fahrwasser der kriminalisierenden Kampagnen der Inhalteindustrie mitzuschwimmen und freuen sich sehr über die in der Bundesrepublik politisch gewünschte Rechtsunsicherheit und Willkür in Sachen Internet. Da ist man auch um einen Link nicht verlegen, der dem Empfänger einen richtigen Schrecken einjagen soll:
Wie Sie vielleicht schon aus den Medien mitbekommen haben, werden heutzutage Urheberrechtverletzungen
erfolgreich vor Gerichten verteidigt, was in der Regel zu einer hohen Geldstrafe [sic!] sowie Gerichtskosten fuhrt.
Link: Urheberrecht: Magdeburger muss 3000 Euro Schadensersatz zahlen
Der Link geht im Original auf petanews.de und soll wohl noch einmal unterstreichen, wie teuer Verletzungen des Urheberrechts werden können – damit der Empfänger dieser kriminellen Spam auch schön eingeschüchtert werde. Denn wenn er eingeschüchtert genug ist – hier haben die spammenden Verbrecher tatsächlich einmal das gleiche Interesse wie die rechtlich legitimen Vertreter der Inhalteindustrie, denn wird er sich wohl auch über das folgende Angebot freuen:
Genau aus diesem Grund unterbreitet unsere Kanzlei ihnen nun folgendes Angebot:
Um weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und anderen offiziellen Unannehmlichkeiten wie Hausdurchsuchungen [sic!],
Gerichtsterminen aus dem Weg zu gehen, gestatten wir ihnen den Schadensersatzanspruch unseres Mandanten
aussergerichtlich zu loesen [sic!].
Schon klar, so eine privatrechtliche Angelegenheit wie die nicht-lizenzierte Nutzungsform urheberrechtlich geschützter Werke führt auch dann noch zu Hausdurchsuchungen, wenn der Verstoß bereits „nachweislich“ (siehe oben) ist. Aber die Vorstellung, dass eine Horde von Polizeibeamten die Wohnung durchwühlt und möglicherweise einen Rechner beschlagnahmt, auf dem sich wirklich etwas finden ließe, ist eben sehr einschüchternd. Diese Vorstellung ist so einschüchternd, dass sich der davon eingeschüchterte Empfänger gar nicht mehr darüber wundert, dass er gar nicht mit Namen angesprochen wird, obwohl er doch einen solchen „Besuch“ in seiner Wohnung zu erwarten haben soll. Nein, der eingeschüchterte Empfänger bemerkt die ganzen, in kalter Sprache dargereichten Unstimmigkeiten nicht und will nur diesen Mist abwenden – hoffentlich nicht zu teuer…
Ob er allerdings eingeschüchtert genug ist, um bei den folgenden Zeilen nicht ein bisschen stutzig zu werden:
Wir bitten Sie deshalb den Schadensersatzanspruch von 100 Euro bis zum 22.10.2010 [sic! Das war beim Empfang der Spam bereits Vergangenheit!] sicher und unkompliziert
mit einer UKASH-Karte zu bezahlen. Eine Ukash ist die sicherste Bezahlmethode im Internet [sic!] und
fur Jedermann anonym [sic! Reklametext abgeschrieben?] an Tankstellen, Kiosken etc. zu erwerben.
Weitere Informationen zum Ukash-Verfahren erhalten Sie unter: http://www.ukash.com/de
Senden Sie uns den 19-stelligen Pin-Code der 100 Euro Ukash an folgende E-Mailadresse zahlung (at) ra-giese (punkt) info
Nicht nur, dass dieser angebliche „Rechtsanwalt“ es völlig versäumt hat, eine Telefonnummer und eine Anschrift seiner „Kanzlei“ anzugeben, was „echte“ Anwälte nach meinen Erfahrungen auch im Mailverkehr immer tun, um schnelle Rückfragen und eventuell eine Rückfrage bei der Anwaltskammer zu ermöglichen. Nein, dieser angebliche „Rechtsanwalt“ hat auch kein Bankkonto und bevorzugt den Geldtransfer über ein anonymisiertes Verfahren – vermutlich, weil er immer noch rechtskundig genug ist, um zu wissen, dass sonst bald die Polizei vor seiner Tür stünde, weil die zuständige Staatsanwaltschaft wegen gewerbsmäßigen Betruges ermittelte.
In welcher Weise man ihm das Geld anonymisiert zusteckt…
* alternativ konnen Sie auch mit Paysafecard zahlen
Link: http://www.paysafecard.com/de
…ist diesem „Anwalt“ vollkommen gleichgültig, so lange es nur so anonym wie Bargeld bleibt und die Ermittlungen gegen ihn ins Leere laufen lässt. Denn das ist der Grund, weshalb er lieber darauf verzichtet, wie ein normaler Gewerbetreibender ein Konto bei einem Kreditinstitut zu eröffnen und seinen Geldverkehr darüber zu erledigen: Er ist ein Betrüger. Und als Betrüger möchte er doch schön im Schutz maximaler Anonymität bleiben und da ist die Eröffnung eines Bankkontos eher kontraproduktiv.
Geben Sie bei Ihre Zahlung bitte ihr Aktenzeichen an!
Ob man dabei „sein Aktenzeichen“ angibt oder nicht (es hat ja eh jeder Empfänger das gleiche „Aktenzeichen“), ist diesem Betrüger übrigens wumpe. Für ihn zählt nur, dass er irgendwo auf der Welt das so ergaunerte Geld abholen kann, um sich damit seinen gehobenen Lebensstil zu finanzieren.
Damit ein eingeschüchterter Empfänger diesen Gedanken gar nicht erst denkt, nun noch ein paar einschüchternde Worte…
Sollten sie diesen Bezahlvorgang ablehnen bzw. wir bis zur angesetzten Frist keinen 19- stelligen
Ukash PIN-Code im Wert von 100 Euro erhalten haben (oder gleichwertiges [sic!] Paysafecard Coupon), wird der Schadensersatzanspruch offiziell [sic!]
aufrecht erhalten und das Ermittlungsverfahren mit allen Konsequenzen wird eingeleitet. Sie erhalten
dieses Schreiben daraufhin nochmals auf dem normalen Postweg. [sic!]
…und fertig ist die betrügerische Mail, mit der den Leuten Geld aus der Tasche gezogen werden soll, nachdem die Inhalteindustrie sich in ihren medialen Kampagnen so viel Mühe gegeben hat, auch kleinste Urheberrechtsverstöße über jedes vernünftige Maß zu kriminalisieren, so dass sich in der Folge wohl beinahe jeder Internetnutzer etwas unwohl fühlt. Etwas zynisch würde ich fast sagen: Da wächst zusammen, was zusammen gehört.
Hochachtungsvoll,
Rechtsanwalt Florian Giese
Wie wenig Achtung in dieser Hochachtung steckt, spiegelt sich in der dummen Masche!
Dank an M.