Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Tagesarchiv für den 18. August 2007

400-?-Willkommensbonus!

Samstag, 18. August 2007

Ja, das steht da wirklich im Betreff. Man bekommt vierhundert Fragezeichen als Bonus, wenn man so blöd ist, dass man willkommen geheißen wird. Natürlich ist es mal wieder das „Super Duper Vegas VIP Euro Casino“, das so seriös ist, dass es jeden Tag mehrmals seine Website wechseln muss. Deshalb muss es wohl auch jeden Tag seine neue URL mit einer neuen Spamwelle durch das Internet pusten.

Aber im Moment scheinen die windigen Anbieter illegalen Glücksspiels doch so ein paar Probleme zu haben, wie man der aktuellen Spam entnehmen kann.

Das beste Online-Casino!

Klar, ein wirklich guter virtueller Zockladen hätte es auch gerade nötig, seine Opfer Kunden mit illegaler Spam zu locken.

Und zwar mit Spam, die ganz sonderbar geformt ist:

W ählen Sie aus 80 der unterhaltsamsten Casinospiele und erhalten Sie= die grosszügigsten Bonusangebote!

Au weia.

Gut, das mit den Umlauten haben die Spammer jetzt geschafft. Aber das verunglückt in die Zeile geratene Gleichheitszeichen ist schwach. Die schreiben wohl gerade an ihren Spamskripten und lassen schon wieder die unreifsten Experimente auf die Welt los – das passt ja zu einem Casino, das „das beste“ sein will. :mrgreen:

So ein Gleichheitszeichen am Ende einer Zeile zeigt im Quelltext der Mail eigentlich an, dass die Zeile in der nächsten Zeile fortgesetzt wird. Das scheint der dumme Spammer an der Zwischenablage nicht zu wissen. Vielleicht glaubt er sogar, wir schreiben hier in Deutschland solche komischen Zeichen in unsere Texte.

Und was diese Mail denn an Zahlen angibt:

100% für bis zu 400€!

100 Jahre für bis zu zehn Spammer!

Nein, so richtig unmittelbar verständlich ist das nicht. Aber um so verständlicher ist der folgende Appell an die Gier eines Zockers:

Die prallsten Jackpots mit bis zu 2 Millionen Euro!

Da gibt man doch gleich hunderte von Euros an irgendwelche asozialen Spammer. Wenn so viele Millionen winken…

Worauf warten Sie noch?

…wartet man einfach nicht länger. Außer vielleicht auf eine Kleinigkeit, die in dieser Mail fehlt:

Kommen und spielen Sie bei Euro VI= P Casino!!!

Welche Kleinigkeit das ist?

Na, die URL des Casinos. Die haben doch bestimmt schon wieder eine neue. Oder vielleicht auch eine alte URL neu verwendet, aber das wäre die erste seit einem dreiviertel Jahr.

Aber diese kleine Angabe wurde von diesem „besten Online-Casino“ völlig vergessen. 😆

Wie man ein Produkt verpackt

Samstag, 18. August 2007

Produktverpackung Markus GoldDies ist ein Beispiel für eine ganz gewöhnliche Verpackung, wie sie sich überall finden lässt, wo anonyme Märkte Waren feilbieten. In diesem Fall handelt es sich um Kaffee, und zwar um die Billigmarke „Markus Gold“ der Discounter-Kette Aldi. Das Produkt ist aber austauschbar, ähnliche Beobachtungen an der Verpackung lassen sich bei fast allen Produkten machen.

Solche Verpackungen sieht jeder jeden Tag beim Einkaufen. Da sich die meisten Menschen eher für den Inhalt interessieren, schenken sie der Verpackung keine besondere Beachtung – ganz anders als die Werber, die diesem Vehikel des Verkaufs sehr viel Beachtung schenken. In der Regel wird dem Käufer nicht bewusst, was auf diesen Verpackungen gedruckt und abgebildet ist. Und. Damit dringt es ins Unbewusste, um dort zu wirken. Ganz, wie es die Werber wollen.

Das sollte für jeden Grund genug sein, sich diese Verpackungen genau anzuschauen. In diesem Beitrag werde ich einige Elemente der Verpackung beleuchten.

1. Die überflüssige Marke

Dieser Billigkaffe ist von der Marke Markus

Die hier wie selbstverständlich angegebene Marke „Markus“ wird außerhalb eines Aldi-Marktes nicht angetroffen. Es handelt sich nicht um eine der künstlich mit allgegenwärtiger Werbung groß gemachten Marken. Es ist eine völlig überflüssige Marke, die dort nur auf die Packung gedruckt wurde, damit auch ein Markenname auf der Packung erscheint – es ist eine Marke als Selbstzweck.

Innerhalb eines Aldi-Marktes werden unter dieser Marke die folgenden Produkte angeboten: Kaffee, Filterpapier, Kaffeesahne. Es handelt sich dabei um „Billigprodukte“, die übrigens durchaus nicht schlecht sind.

Der einzige Grund, warum solche Produkte unter einer zum Selbstzweck gewordenen Marke angeboten werden, ist die von der Werbung geprägte Gewohnheit der Wahrnehmung. Die Marke muss sein, sie macht ein Produkt erst „wertvoll“. Die Marke ist ein Fetisch. Der Fetischismus der Käufer, der mit dieser Marke bedient wird, wurde erst durch Werbung erzeugt; er ist eine pathologische Erscheinung, die durch den gegenwärtig über die Gesellschaften ablaufenden Prozess hervorgebracht wurde.

2. Die große und die unscheinbare Information

Kaffee - was sich in der Packung eben befindet

Klein, unscheinbar und kontrastlos befindet sich auch etwas wirkliche Information auf dieser Packung, nämlich die Angabe des Inhaltes. Dieser Schriftzug ist wirklich so unscheinbar, ich habe hier nicht an der Grafik manipuliert. Das ist erstaunlich, da es sich um den einzigen Text auf der Vorderseite der Packung handelt, der etwas über den Inhalt aussagt.

Das größte Element der Verpackung: Eine dampfende Kaffeetasse

Nun gut, man mag sich auf den Standpunkt stellen, dass diese Information gar nicht erforderlich sei. Das größte und völlig unübersehbare Element dieser Verpackung ist das Bild einer dampfenden Tasse mit brauner Brühe, der allmorgendlichen Droge der Müden und Ermatteten. Somit sollte auch für einen Menschen, der des Lesens unkundig ist, völlig klar sein, was sich in dieser Packung befindet. Eine sehr weise Entscheidung der Werbefirma, ist der Analfabetismus in der BRD doch im Zunehmen begriffen.

Kaffeeschwaden steigen aufUnd nicht nur die allgemeine Art des Produktes wird mit diesem Bild angegeben. Nein, der Werbemensch hat sich alle Mühe gegeben, zusammen mit diesem Bild die Erinnerung an einstmals erlebte sinnliche Erfahrungen zu wecken. Über der abgebildeten Kaffeetasse hat sich der Werbegrafiker ein bisschen ausgetobt. Schwaden steigen aus der Tasse im gesamten Bereich der Packung auf und versprechen auf diese Weise dem Auge einen ermunternd Duft frisch gebrühten Kaffees. Denn die physikalische Wirklichkeit, also aufsteigender Wasserdampf, ist mit diesem Element sicherlich kaum gemeint.

Dieses bildhafte Versprechen des Inhaltes steht in assoziativer Breite und gedruckter Größe in deutlichem Gegensatz zur schwer lesbaren textuellen Bezeichung des Inhaltes. Dieses Versprechen ist es auch, worauf es dem Werber wirklich ankommt, keineswegs die „Information“.

3. Das Edelmetall

Natürlich muss es Gold sein...

Zu dieser Bezeichung eine schelmische, rhetorische Frage: Könnte hier auch „Silber“ stehen? Oder gar „Bronze“? 😉

Nein, es kann natürlich nur Gold sein, der gefühlte Superlativ unter den Metallen. Dabei ist Kaffee doch gar nicht recht gülden, sondern eher braun. Zum Glück für die nicht ganz so kaufkräftigen Müden, die jeden Morgen ihres Aufputschmittels bedürfen, ist der Stoff auch deutlich preisgünstiger als das hier durch den großen Schriftzug proklamierte Edelmetall. Und zum Unglück für die nicht ganz so kaufkräftigen Müden auch deutlich weniger beständig und schon gar nicht anhaltend wertvoll. Nein, der Kaffee ist in Wirklichkeit für die direkte Konsumption bestimmt und wird nach einmaligem Aufbrühen wertlos, er verfügt nicht über die Eigenschaft der Beständigkeit, die man dem Golde zuspricht.

Dennoch: Der große, weiße, kontrastreiche und wenig informative Schriftzug „Gold“ steht im Gegensatz zum kleinen, kontrastarmen und zutreffend informierenden Schriftzug „Kaffee“. Letzterer gibt ja auch die Wirklichkeit des Produktes an, während der Text „Gold“ eine dreiste Lüge ist, die nicht einmal näherungsweise den Inhalt beschreibt.

Der Zweck dieser Lüge ist klar. Es geht dem Werber um die rein affektive Aufladung eines Produktes. In psychonanalytischer Sprache soll hier der Kaffeekäufer zu einer Verschiebung bewegt werden, er soll die Eigenschaften des Goldes in magischer oder infantiler Weise psychisch auf den Inhalt der Packung übertragen. Dieser hinterhältige Trick der Werber lässt sich übrigens bei beinahe jedem beworbenen und verpackten Produkt beobachten – und er ist offenbar sehr wirksam. Auch bei Menschen, die hochmütig daran glauben, dass sie auf derartige Mechanismen nicht hereinfallen.

Niemand kann sich bewusst genug über die Wirksamkeit solcher Appelle an das Unbewusste sein, die einen modernen, konsumistischen Aberglauben zum Vehikel des Verkaufs machen.

4. Aussagelose Zusicherungen

Es gibt noch weitere Zusicherungen auf dieser Verpackung, die völlig aussagelos sind. Sie vermitteln die Eindruck einer Qualität, dieser Eindruck ist jedoch in keiner Weise falsifizierbar.

Die Texte können inhaltlich auch gar nicht anders lauten:

Kaffeegenuss der Spitzenklasse

Klar, was sollte hier auch sonst stehen? „Das Aufputschmittel der gesellschaftlichen Unterklasse“ wäre zwar wahrer, aber nicht gerade verkaufsfördernd. Also müssen ein paar unüberprüfbare Blähwörter Großes versprechen.

Premiumqualität

Eine weitere nichtsige Aussage, deren einzige Aufgabe darin besteht, den Eindruck einer Qualität zu vermitteln, ohne dass die gegebene Zusicherung überprüfbar wäre.

5. Ein paar Worte zum Abschluss

Es handelt sich um die Verpackung eines „Billigproduktes“, nämlich eine Packung Aldi-Kaffee. Aber die an diesem Beispiel aufgezeigte Vorgehensweise bei der Verpackung eines Produktes lässt sich natürlich überall finden, wo werbend um die Aufmerksamkeit der potenziellen Käufer gerungen wird:

  • Bedienung eines Markenfetischs, der zu den eigentlichen Eigenschaften des Produktes nichts beiträgt.
  • Verbergen der wirklichen Produktinformation, an ihre Stelle treten affektiv besetzte Bilder, die ein sinnliches Erleben versprechen.
  • Gezielter Missbrauch von Sprache beim Produktnamen, um mit geschickter Lüge einen hohen Wert des Produktes vorzutäuschen.
  • Gezielter Missbrauch von Sprache bei weiteren Angaben, um mit unüberprüfbaren Angaben eine hohe Qualität des Produktes vorzutäuischen.

Auf einige wichtige Einzelheiten bin ich hier noch nicht einmal eingegangen. Ich habe weder die verwendeten Schriftarten noch die Farben einer Betrachtung unterzogen, auch war mir die Aufteilung des gestalteten Raumes gleichgültig. Zu den beschriebenen groben Formen der Manipulation von Kaufentscheidungen gesellen sich natürlich auch subtile Formen, die teilweise schwer zu fassen und zu benennen sind.

Sicher ist nur eines: Alle diese Formen der Manipulation sind wirksam. Selbst bei billigen Produkten wird ein hoher und kostenintensiver Aufwand damit betrieben. Wenn dieser nicht wirksam wäre, würde er ausbleiben, um mit dem so eingespraten Geld den Gewinn beim Verkauf der Produkte zu erhöhen.

Die immer wieder gehörten Blendreden vom homo oekonomicus, der mit seinen gleichermaßen egoistischen wie vernünftigen Kaufentscheidungen am Markt einen gesellschaftsstiftenden Prozess befördern soll, fallen angesichts der gezielt durch Werbung hervorgerufenen Irrationalität fast aller Kaufentscheidungen in sich zusammen. Der Markt handelt schon längst keine Produkte mehr, sondern quasi-magisch an die angebotenen Produkte gekoppeltes psychisches Material. Kein Wunder, dass sich die Menschen unter solchen Bedingungen jeden nichtswerten Tinnef und jede fragwürdige Beglückungsidee andrehen lassen.

Jeder Leser fühle sich eingeladen, in Zukunft etwas genauer und bewusster das zu betrachten, was er bislang eher bewusstlos in seinen Einkaufswagen geworfen hat.