Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Tagesarchiv für den 30. April 2007

Der Schaden durch Spam

Montag, 30. April 2007

Viele Menschen scheinen Spam nur für lästig zu halten und gehen mit jenem gleichgültigen Achselzucken darüber hinweg, mit dem sie auch andere lästige Dinge hinnehmen, wie etwa die Stechmücken im Sommer. Diese Menschen vergessen drei Dinge, die in der Stumpfheit der heutigen „Spamwirtschaft“ niemals vergessen werden sollten:

  1. Spam ist asozial, da sie bestehende Kanäle für den Austausch zwischen Menschen auf mechanische Weise missbraucht und mit unerwünschten Mitteilungen überflutet und verstopft;
  2. Spam ist kriminell, sie ist nicht nur ethisch verwerflich, sondern verstößt auch gegen geltendes Recht und ist strafbar; und
  3. Spam richtet große Schäden an.

Mit den Schäden ist hier nicht nur das bisschen verlorene Bandbreite beim Empfänger der Spam gemeint, nicht nur der Zeitaufwand, den jeder Mailnutzer wegen der Spam-Seuche jeden Tag beim Bearbeiten seiner Mail hat. Das allein wäre an sich schlimm genug – ich kann ein Lied davon singen.

Nein, Spam richtet auch wirtschaftliche Schäden bei an sich unbeteiligten Dritten an; und diese Schäden können erhebliche Ausmaße annehmen. „Wirtschaftliche Schäden“ meint hier: Es kostet die Betoffenen Geld, im Falle eines Online-Händlers vielleicht sogar die wirtschaftliche Existenzgrundlage. Das ist nicht unbedingt „mein Thema“, wenn ich über meine tägliche Spam blogge, aber es muss der Vollständigkeit halber in großer Deutlichkeit erwähnt werden, bevor es in meinem ansonsten eher heiteren Ton völlig untergeht: Spam ist kein Spielzeug und nicht etwa nur eine kleine Lästigkeit, Spam ist eine zerstörerische Gewalttat.

Ich erhielt heute einen bemerkenswerten Kommentar wegen des letzten zu mir gespammten Wahnsinnes, in dem sich ein krimineller Spammer mit gefälschter Absenderadresse für den Kauf eines Handys bedankte – natürlich war es seine Absicht, die Empfänger der Spam auf eine bestimmte Internet-Seite zu lotsen, um ihnen dort etwas unterzujubeln. Der Kommentar stammt von Klaus-Martin Meyer, einem Mitarbeiter der Telefon.de Handels-AG. Die Domain telefon.de aus der gefälschten Absenderadresse der Spam wird von dieser Firma für den Online-Handel und für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet, ist also von existenzieller geschäftlicher Wichtigkeit für das betroffene Unternehmen.

Dem Spammer ist das egal. Der braucht für seine Arschlochnummer* nur irgendeinen passend klingenden Domainnamen, den er für seinen gefälschten Absender missbrauchen kann. Dass sich dann ganz andere Menschen mit den Reaktionen der Empfänger herumschlagen müssen, interessiert den Spammer nicht, solange sich genügend Deppen wie geplant die Malware einfangen. Es ist dem Spamer auch gleichgültig, wenn der Inhaber der Domain telefon.de wegen der Spam eine erhebliche Rufschädigung erfährt, im eigenen Mailverkehr blockiert wird und viele Arbeitsstunden bezahlen muss, in denen sich Mitarbeiter mit teils erbosten Anrufern unterhalten.

Wie so etwas konkret aussieht, kann man am Eintrag im Telefon.de-Blog ein wenig erahnen:

Aufgrund von Anti-Spam-Maßnahmen bei unserem Email-Provider können wir aktuell per Email nur eingeschränkt agieren. […] Zudem leidet aktuell unsere telefonische Erreichbarkeit, weil besorgte Bürger anfragen, was es mit der Email auf sich hat. […] Wieder andere beschweren sich, weil sie denken, telefon.de wäre auch der Versender der Mails.

Kurz gesagt: Ich kenne jetzt einen Ort, an dem das Arbeiten im Moment bestimmt keinen großen Spaß macht. (Ich kann nur hoffen, dass sich das bald wieder ändert.) Und nicht nur das: Diese Arbeit verursacht zunächst große Kosten, denen überhaupt kein Ertrag gegenüber steht; sie verursacht wirtschaftliche Verluste. Darüber hinaus hat die betroffene Firma durch den Missbrauch ihres Domainnamens eine Schädigung ihres Rufes erfahren; der davon verursachte Schaden kann mittelfristig sehr groß werden, lässt sich aber niemals exakt in einem Betrag messen.

Und das alles nur, weil ein anonymer Krimineller möglichst viele Deppen in Deutschland dazu bringen wollte, sich einen Trojaner auf ihrem Rechner zu installieren und deshalb die Absenderadresse seiner Spammails gefälscht hat.

Die Telefon Handels-AG, die Eigentümerin der Domain telefon.de, hat damit überhaupt nichts zu tun. Ein Großteil des Schadens durch diese Spam hängt wieder einmal an unbeteiligten Dritten.

Das sollte jedem zu denken geben, wenn er eine Spam empfängt. Der Absender ist so gut wie immer gefälscht, hier werden der Name, das Postfach, der Ruf und die Nerven unbeteiligter Dritter ruiniert und in krimineller, verantwortungsloser Weise Kosten verursacht. Jeder Versuch, eine Spam zu beantworten, trifft im Regelfall die Falschen; der Spammer hält sich feige im Hinterhalt versteckt. Eventuell angegebene Postanschriten und Telefonnummern sind im Regelfall unzutreffend; wenn man dorthin anruft oder schreibt, trifft man wieder die Falschen. Das einzige, was an einer Spam korrekt ist, das ist die Angabe, wo man illegale Waren kaufen kann oder die URL, unter der man Schadsoftware untergeschoben bekommt – und diese Angaben sind in der Regel ebenfalls anonym gehalten, häufig auch unter gezieltem, asozialem Missbrauch kostenloser Mail- oder Webhosting-Dienste für Menschen.

Die einzige Möglichkeit, dem asozialen und kriminellen Spammer sein Geschäft zu versalzen, besteht darin, dass man jede Spam ignoriert und möglichst viele Menschen in seinem Umfeld über den Spam-Wahnsinn aufklärt. Wenn niemand mehr in gewünschter Weise auf eine Spam reagiert, lohnt sich dieses „Geschäft“ nicht mehr und die E-Mail könnte wieder ein Kommunikationsmittel für Menschen werden. Natürlich auch für Menschen, die miteinander ins Geschäft kommen wollen. Aber eben in erster Linie für Menschen.

Denn dazu ist das Internet da. Es ist kein technischer Selbstzweck. Es ist ein Netzwerk von Computern, das Menschen verbindet.

Was Spammer aus diesem Internet machen wollen, sollte nach dem Lesen dieses etwas längeren Postings klar geworden sein. Ebenso sollte klar geworden sein, dass Spam bekämpft werden muss.

Eines in diesem Kampf kann jeder tun. Es ist ganz einfach, weil dafür gar nichts getan werden muss. Es reicht völlig aus, jede Reaktion auf eine Spam zu unterlassen, niemals ein Geschäft aufgrund einer Spam zu machen und den ganzen Müll zu löschen.

Wer etwas mehr tun möchte, informiert am besten alle Menschen in seinem Umfeld über Spam, ihre Folgen und den richtigen Umgang damit. Das ist doch ein relativ müheloser Weg, eine etwas bessere Welt zu schaffen.

*) Wer findet, dass das Wort „Arschlochnummer“ zu unflätig für das beschriebene Verhalten sei, darf sich gern ein anderes Wort ausdenken. Ich bleibe auch nach dreimaligen Nachdenken bei diesem zuerst geschriebenen Wort. Weil es passt.

Der Wert der „Freundschaft“

Montag, 30. April 2007

15 Euro - Ihr Gutschein für jeden neuen Kunden - Freunde werben Freunde

Die Frage, welchen Wert so etwas wie Freundschaft haben könnte, haben die Menschen verachtenden und asozialen Werber schon längst für sich entschieden, und zu viele Menschen scheinen dieser Entscheidung zu folgen. Dass Menschen noch so etwas wie Beziehungen untereinander haben, ist aus der Sicht der Werber vor allem ein möglicher und nutzbarer Vertriebskanal. Deshalb dieses exemplarische Angebot eines Gutscheines über 15 Euro, der in hässlichen Tinnef umgesetzt werden kann. Dieses Angebot ist nur ein Beispiel für viele vergleichbare Beglückungsideen aus der Werbung, die vom aufgeschwatzten Zeitungsabo über eingeblendete Werbung in persönlichen Websites bis hin zur Bezahlung für verstecktes Produkt-Blogging reichen. Es stammt aus dem aktuellen Katalog „Die moderne Hausfrau“.

Es handelt sich um eine Aufforderung an die Leser, ihre persönlichen Beziehungen zur eigenen Bereicherung auszubeuten, damit sie in den „Genuss“ eines solchen „Gutscheines“ kommen. Es ist eine Aufforderung, menschliche Beziehungen unter dem Aspekt wirtschaftlicher Vorteile zu betrachten, und dies selbst dann noch, wenn diese Vorteile von lächerlicher Winzigkeit sind. Es ist eine Aufforderung, für einen geringwertigen Lohn zum Schergen von Werbern zu werden, die ihr Menschenbild in solchen Aktionen deutlich genug offenbaren.

Verglichen mit anderen Formen der Werbung kommen auch die Werber in diesem Beispiel sehr günstig weg, da sie nur im Erfolgsfall etwas bezahlen müssen. (Die halbe Seite in einem Katalog hat keine großen zusätzlichen Kosten verursacht.) Und die Bezahlung liegt keineswegs bei 15 Euro, sondern beim viel geringeren Einkaufswert des Tinnefs für einen Großabnehmer – das wird hier als „Gutschein“ verklausuliert, den man natürlich nur beim Anbieter gegen Waren zum dortigen Preis eintauschen kann. Diese Bezahlung wird auch nur dann fällig, wenn aus einem „Freund“ ein „neuer Kunde“ geworden ist.

Für andere Formen der Kundengewinnung müssten die Werber für einen einzigen „neuen Kunden“ ganze Bäume in hochglanzbedrucktes Papier verwandeln, das sie auf allen möglichen und unmöglichen Wegen vor die Augen der Kauftrottel stellen. Oder unter hohen Kosten allgegenwärtige Plakate in die Landschaften stellen. Oder Fernsehwerbung machen und zum hohen Preis ausstrahlen lassen. Eben die normale Schrotmunition verwenden, mit der die Werbung Menschen „erlegen“ will. (Wer das Wort „erlegen“ hier zynisch findet, beachte bitte: Das Wort „Zielgruppe“ ist ein Wort der Werber, die Menschen sind also „Ziele“ wie die gehetzten Jagdtiere oder die Angehörigen feindlicher Truppen.) Die Beziehungen der Menschen untereinander sollen hier als Präzisionswaffe für den gezielteren und treffsichereren und damit billigeren Angriff der Werbung dienen.

Wer darauf anspringt, verkauft das, was hier zum Hohn von den Werbern auch noch „Freundschaft“ genannt wird. Und zwar zu einem äußerst billigen Preis. Er zeigt damit auch, was ihm „Freunde“ wirklich bedeuten.

Dass solche Werbeaktionen immer wieder durchgeführt werden, zeigt, dass viele Menschen zu einem solchen Verkauf bereit sind – sonst gäbe es solche Werbeaktionen nicht. (Es ist in meinen Augen übrigens kein Zufall, dass sich solche Aktionen vorwiegend an weibliche Leser richten und deshalb vor allem in Medien mit weiblicher „Zielgruppe“ auftauchen, aber das ist noch einmal ein ganz anderes, ebenfalls sehr kaltes Feld.) Jede derartige Werbeaktion ist ein trauriges Spiegelbild des gegenwärtig über die Gesellschaft ablaufenden Prozesses, der zu einer Bewertung von Menschen nach ausschließlich wirtschaftlichen Gesichtspunkten führt.