Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Deutschland ist Weltspitze!

Freitag, 26. Oktober 2012, 20:06 Uhr

Hier gibt es keine Spam, sondern eine lesenswerte Meldung zum Thema Spam und meinen Kommentar dazu

Zumindest sind Menschen in Deutschland Weltspitze darin, Spams mit gefährlicher Schadsoftware zu empfangen, wie Heise Online vermeldet:

Deutsche Internet-Nutzer fanden im September weltweit die meisten schädlichen Anhänge und Links in ihren Postfächern vor und lösten damit die USA an der Spitze ab […] Auffallend ist dabei die steigende Zahl der Trojaner und Backdoor-Programme, die zum einen à la BKA-Trojaner das Betriebssystem sperren und zum anderen Schadsoftware wie Spam-Bots nachladen können.

Ich habe zu dieser Entwicklung eine bescheidene Meinung, die ich leider nicht mit weiteren Fakten belegen kann, aber dennoch für sehr einleuchtend halte.

Warum gibt es dieses Geschäftsmodell mit Erpressungstrojanern in Deutschland; mit Schadsoftware, die sich in den Startvorgang von Microsoft Windows einnisstet und den Rechner mit der (immer erlogenen) Behauptung blockiert, dass er von der Bundespolizei, der GEMA, dem BKA, der GVU oder anderen Institutionen gesperrt sei und dass zur (niemals stattfindenden) Aufhebung der Sperre ein Betrag von hundert Euro über ein anonymisierendes Verfahren bezahlt werden müsse? Warum lassen sich in der Bundesrepublik Deutschland offenbar genug erwachsene Menschen dazu hinreißen, so etwas für glaubwürdig zu halten? Was unterscheidet die Zustände in Deutschland so sehr von den Zuständen in anderen Ländern, dass es für die organisierte Kriminalität sinnvoll geworden ist, ihr „Geschäft“ schwerpunktmäßig für die „Zielgruppe“ Menschen in der Bundesrepublik Deutschland zu betreiben?

Sind die Menschen hier etwa dümmer?

Ich glaube nicht, dass die Menschen in Deutschland dümmer sind als – sagen wir mal – in Frankreich oder in den Niederlanden. Aber in der Bundesrepublik ist das Immaterialgüterrecht für das Rechtsempfinden juristischer Laien ganz besonders undurchschaubar verwickelt, und beinahe jede gewöhnliche Webnutzung ist potenziell ein teurer Rechtsbruch. Dies kombiniert sich mit einer breit durch alle Medien gezogenen Angstpropaganda der Rechteverwertungsindustrie, die mit absurden Forderungen nach immer weiter gehender Kriminalisierung ganz alltäglicher Nutzungsformen und völlig unverhältnismäßigen Fieberträumen von einer dystopischen Totalüberwachung aller Internetaktivitäten aller Menschen in Deutschland. Die Ausbreitung von Angst, Unsicherheit und Zweifel wird in einer oft dickfellig-aggressiven Weise allmedial kommuniziert und vom (ebenfalls von solchen „Ideen“ profitierenden) Medienapparat alles in allem unkritisch wiedergegeben. Dass auch die von Vertretern der großen politischen Parteien besetzten Innenministerien derartige Ideen aufgreifen, macht die Wirkung dieser Angstpropaganda um so verheerender.

Dass die Fähigkeit vernetzter Rechnersysteme zur Anfertigung verlustfreier Kopien die Grundlage für das Funktionieren des gesamten Internet ist, wird interessanterweise niemals von „Qualitätsjournalisten“ erwogen und berichtet.

In der Folge bildet sich auch beim harmlostesten naiven Webnutzer ein erhebliches Unrechtsgefühl in fast allem, was er tut, und die regelmäßigen Berichte über teils absurd hohe finanzielle Forderungen von Rechteinhabern für marginale Verstöße gegen das Urheberrecht erzeugen bei Menschen mit gewöhnlichem Einkommen – also nicht gerade einem Sebastian Edathy (SPD) – existenzielle Angst.

Auf dieser Grundlage (die Vorstellung weitgehender Überwachung wird jeden Tag in schrillsten Alarmtönen kommuniziert, genau wie Websperren für Internetnutzer) scheint die Sperrung eines Computers eben nicht so absurd, wie sie es ist, und das Angebot, den Rechner gegen hundert Euro entsperren zu lassen (was übrigens nicht geschieht), kann angesichts der sonst üblichen Summen geradezu gnädig erscheinen. Und so überweisen Menschen aus Deutschland, dem Land der täglichen contentindustriellen Angstpropaganda, dermaßen bereitwillig sauer verdientes Geld an die organisierte Kriminalität, dass sich dieses Sondergeschäft für die Verbrecher lohnt.

Wenn sie sich dafür bedanken wollen, bedanken sie sich bei ihrem nächsten Verlag, bei ihrer Zeitung, bei der GEMA, bei der GVU und bei ihrem Innenminister. Diese Leute, Betriebe und Organisationen sorgen dafür, dass sich das Verbrechen in Deutschland lohnt.

Sie könnten auch mal mit einer Aufklärung der Menschen über die wirkliche Rechtslage beginnen, statt bei jeder Gelegenheit zur Freude von kriminellen… sorry… Arschlöchern Angst, Unsicherheit und Zweifel auszubreiten. Aber hierzu ist seit Jahren nicht die Spur einer Bereitschaft erkennbar, stattdessen gibt es konstant großkalibrig verschossene Verdummung auf allen Kanälen.

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