Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Hi

Montag, 12. Januar 2009, 8:23 Uhr

Endlich mal wieder ein „klassischer“ Betreff für den Vorschussbetrug mit angeblichen russischen Frauen. Mal schauen, was die heutige virtuelle Frau schreibt.

Hi,

Das hast du aber schon im Betreff gesagt. Ist schon scheiße, wenn man keine bessere Anrede hinkriegen kann, weil man gar nichts über den Empfänger weiß, nicht wahr?

My name Elena I have 32 year and I live in Russian province. I work in library and after my work I can use computer when it possible.

Oh, Elena (wohl eher „Jelena“, aber das anlautende „J“ geht gern bei der Transkription kyrillisch geschriebener Namen verloren) heißt du also. Und du hängst im fernen, weiten Russland herum, verbringst deine Arbeitszeit in einer Bücherei und nach Feierabend wird von den Büchereirechnern aus mal so richtig durchgespammt, was das Zeug hält. Da kann ich nur hoffen, dass du ganz schnell arbeitslos wirst. :mrgreen:

I find your address in internet and I decide to write you this letter.

Eine gute Entscheidung, mir diesen Brief zu schreiben, denn ich blogge über Spam. Schade, dass du mir nicht geschrieben hast, wo du meine Adresse „im Internet“ gefunden haben willst, weil ich meine Adresse nirgends mehr angebe. Ist deshalb eigentlich so eine obskure Yahoo-Adresse als Empfänger eingetragen, die übrigens auch nicht die Meinige ist – aber dafür gleich noch mal als Absender Verwendung findet?

Irgendwo in deiner Bücherei muss ein Buch rumstehen, in dem du gelesen hast, wie man die Header von Mails fälschen und schnell eine paar Spamskripten hacken kann. Eine gute Bücherei für Spammer. :mrgreen:

I have 7 year daughter Angelina, her father abandoned us and we live with my mother.

Na, da hast du neben der ganzen Spam wenigstens einmal etwas zuwege gebracht, das auch Hand und Fuß hat.

Due to the crisis in our country my mother losted job and our situacion became very difficult. The price for heating our home very high and we can not afford it anymore. The weather is very cold here already (minus 19 degrees Celsius) and we don’t know what to do.

Tja, Elena, da kann ich dir leider nicht helfen. Hier hatte es zwar am kältesten Tag nur 16 Grad unter Null, aber ich habe nicht einmal eine Hütte, die ich beheizen könnte oder in der ich mich nur in einer Decke wickeln könnte, und in einer Nacht wäre ich neulich draußen fast verreckt. Vielleicht tröstet es dich ja ein bisschen, wenn ich dir mal beschreibe, wie das so ist auf dem Weg zum Tod durch Erfrieren. Ganz am Anfang ist das ein echt lausiges Gefühl, du zitterst am ganzen Körper und alle Stellen deines Körpers, die der Kälte ausgesetzt sind, beginnen auf eine schwer zu beschreibende Art zu schmerzen. Du siehst langsam ein, dass heute sehr konkret der Tag deines Todes sein könnte, und wenn du ein bisschen Humor hast, denn lächelst du gequält beim Gedanken, dass du dir deinen Tod irgendwie immer ganz anders vorgestellt hast, nicht so banal. Und dann zwingst du dich, weiterzugehen, nicht aufzugeben. Aber das lausige Gefühl hält nur eine kurze Zeit an, vielleicht so anderthalb Stunden und dann verändert sich der Zustand in einer sehr angenehmen Weise. Du spürst deinen Körper immer weniger, der Schmerz lässt nach, du nimmst die Kälte kaum noch wahr. Und so langsam fängt dein ganzer Wahrnehmungsapparat an, dir sehr seltsame Eindrücke zu vermitteln. Bei mir hat das mit dem Hören angefangen. Es war eine sehr ruhige Nacht, eben eine saukalte Nacht, in der auch niemand nur seinen Hund vor die Türe jagen würde. Aber plötzlich hörst du ein eigenartes, stets langsam anschwellendes und wieder abschwellendes Rauschen, das von überall und nirgends kommt und immer aufdringlicher wird. Erst findest du das störend, auch verstörend, aber dann gewöhnst du dich daran, es nimmt den beruhigenden Charakter von Meeresrauschen an. Aber du stellst auch fest, dass sich dieses Rauschen in jeden Gedanken legt, den du denken willst, dass du kaum noch einen vernünftigen Plan verfolgen kannst, und dann weißst du, dass du dich ganz schnell irgendwohin begeben musst, wo das Frieren aufhört, sonst nimmt es ein Ende mit dir. Doch die Unfähigkeit zu denken und das fehlende Körpergefühl machen es dir sehr schwer, und trotz der akuten Gefahr wird alles, was du tust, eher planlos. Dieser Zustand ist gar nicht unangenehm, er erinnert mich an die Wirkungen gewisser Opiate, die hier verboten sind. Das Zeitgefühl verliert sich zusehens, und dein Gehen kommt dir immer ewiger und anstrengender und sinnloser vor, du möchtest unbedingt eine Pause machen. Während dieser Zeit verändert das Rauschen in deinem Kopf seinen Charakter, es wird strukturierter und scheint Stimmen zu formen, die dich ansprechen; Stimmen, die du schon lange nicht mehr gehört hast, weil die Menschen, zu denen diese Stimmen einmal gehörten, schon längst tot sind. Am Anfang kannst du zwar die Stimmen erkennen, aber du kannst nicht gut verstehen, was sie dir sagen – und dein Bewusstsein, dass du gerade einer Halluzination aufsitzt, wird immer kleiner. Nach einiger Zeit beginnt die Welt auch anders auszusehen, sie wird sehr schön. Alles, was dich umgibt, beginnt auf eine unmöglich zu beschreibende Weise bläulich zu leuchten und wirkt wie verzaubert, während du von den Stimmen der Toten umgeben bist, die auch langsam verständlicher werden. Es sind die Stimmen guter Freunde, die dich jetzt als Tote bitten, dass du doch zu ihnen kommen solltest, die dir etwas von gemeinsamen Erlebnissen und tollen Zeiten berichten, die dich noch einmal richtig traurig darüber machen, dass alle diese Menschen jetzt tot sind – während die Welt immer magischer aussieht. Du kannst kaum noch weitergehen, du musst immer wieder stehenbleiben und erkennst nzr noch mit Mühe den Weg, der vor dir liegt; du fühlst dich selbst nicht mehr, kannst keinen klaren Gedanken mehr fassen und der Wunsch, sich einfach nur für einen kurzen Moment irgendwo hinzusetzen, und sei es in den blauleuchtenden, schön anzuschauenden Schnee, er wird übermächtig. Es fühlt sich gar nicht mehr kalt an, du bist erschöpft und möchtest eigentlich nur noch irgendwo liegen…

Nun, wieso ich das überhaupt noch schreiben kann, verachtenswerte Elena? Ganz einfach, im Matsch meiner getrübten Sinne sah ich der Ferne das beleuchtete Schild einer U-Bahn-Station. Ich riss mich zusammen und ging unter Aufbietung aller meiner Willenskraft darauf zu. Es kam mir unendlich langsam und sehr anstrengend vor, aber ich glaube, dass es mein ganz normales Gehtempo war. Dann ging ich dort hinunter und wollte mich aufwärmen. Ein schwarz uniformierter Sicherheitstyp, einer von denen, die solches Geschmeiß der Straße wie mich sonst unsanft und manchmal unter Knüppeleinsatz nach draußen setzen, kam mir entgegen – und zum Glück warf er mich nicht gleich wieder raus, sonst wäre ich jetzt wohl tot. Und könnte mich gar nicht über deine Mail „freuen“.

We need portable stove which give heat from burning wood. We have many wood in our region, but we cannot buy the stove in local market because it cost equivalent of 193 Euro and very expensive for us.

If you have any old portable wood burning stove, I pray that you can donate it to us and organize transport of its to our address. We live 200km from Moscow. This ovens are different, usually they made from cast iron and weight about 100kg.

Vielleicht kannst du ja verstehen, dass ich für dein spammiges Absahnen beim Mitleid der Menschen nichts als tödliche Verachtung übrig habe, Elena.

Please let me know if you can help and I will write you our address.

I downloaded our picture to free website and you can see it at
http://elegala.nextmail.ru/ourpic.jpg

Klar doch, das wirst ganz bestimmt „du“ mit „deiner“ Familie sein, jeder glaubt einem Spammer, der mit gefälschter Adresse schreibt.

I wish that the New Year will bring happiness for all your family, good health, and your dreams will come true!

Elena.

Einer meiner Träume ist, dass solche Verbrecher wie du unheilbar krank werden, alle ihre Freunde verlieren und unter großen Qualen einsam verrecken. Und das wünscht du dir doch nicht wirklich, oder?

P.S. Please send your answer to my free email address
elenafg (at) eposta.ru
and I will be able to read it at my work.

Aber sich doch, ich habe das schon mitgekriegt, dass du mit gefälschter Adresse mailst. Auf diese falsche Adresse sollte man denn doch besser nicht antworten. Wer „dich“ anschreibt, kriegt bestimmt noch eine ganze Menge tieftrauriger Stories zu hören, da bin ich mir ganz sicher – denn davon leben die Betrüger, die so etwas machen. Und das Geld am besten bar, weil es so schneller geht und überhaupt ist das in Russland mit den Banken so eine Sache. Und vielleicht können wir sogar noch heiraten, ich bin mir gewiss, „du“ siehst mal wieder zuckersüß aus. Nur besuchen kann man „dich“ leider nie – aber immerhin, das Geld nimmst „du“ an.

Stirb einfach! Jetzt!

Ein Kommentar für Hi

  1. […] das Gruseln lehrt, wenn man dabei unterwegs ist. Ja, dieser saukalte Januar konnte einem gar das Erfrieren lehren, wenn man nur eine Spur Bereitschaft dazu mitbrachte. Man hat es eben nicht leicht, auch […]

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