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Schlagwortarchiv „Klosterfrau Healthcare Group“

Achtung! Corona-Abzocke in der Apotheke

Dienstag, 17. März 2020

Was machen Verbrecher, Betrüger und halbseidene Geschäftemacher, wenn die Menschen Angst haben? Richtig: Sie versuchen diesen Menschen etwas anzudrehen, was ihnen gegen ihre Angst helfen soll und machen damit ihr niederträchtiges Geschäftchen.

Was machen Verbrecher, Quacksalber und halbseidene Geschäftemacher, wenn die Menschen angesichts einer umlaufenden, sich zur Pandemie entwickelnden Seuche Angst haben? Richtig: Sie versuchen diesen Menschen etwas anzudrehen, was ihnen gegen ihre Angst helfen soll und machen damit ihr niederträchtiges Geschäftchen.

Es ist leider nur zu gewöhnlich und widerlich. Ich empfange zurzeit täglich rd. zehn E-Mail-Spams, in denen mir Spammer Atemmasken verkaufen wollen.

Zum Glück dürfte nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung auf Gesundheitstipps und Gesundheitsprodukte von asozial und illegal spammenden Verbrechern hereinfallen. Aber es gibt ja nicht nur die Spam, es gibt auch noch die normale Reklame, die vielerlei Wege geht. Und diese normale, leider völlig legale Reklame kann auch eine ganz ordentliche Abzocke einleiten.

Das im Folgenden abgebildete Fax der Klosterfrau Healthcare Group – sehr bekannt durch ihren teuren und mit medizinischen Versprechungen¹ verkauften Kräuterschnaps „Klosterfrau Melissengeist“ und hier ganz bewusst nicht verlinkt – wurde in den vergangenen Wochen und Tagen an viele Apotheker in der Bundesrepublik Deutschland versendet (für ein größeres Bild bitte klicken, und entschuldigt mich bitte für die erbärmliche Qualität, aber mein Händi ist eine anderthalb Jahrzehnte alte Antiquität und ich hatte nichts besseres zur Hand):

Klosterfrau Melissengeist - auch zur äußerlichen Anwendung geeignet -- Liebes Apotheken-Team, -- sicher wird Händedesinfektionsmittel auch in Ihrer Apotheke als Reaktion auf den Coronavirus (SARS-VoV-2) verstärkt nachgefragt. Natürlich sind die gängigen Händedesinfektionsmittel hier die erste und oft auch günstigste Wahl. Wenn diese jedoch ausverkauft sind, können stark ethanol-haltige Produkte eine gute Alternative sein. -- Das in Klosterfrau Melissengeist enthaltene Ethanol kann aufgrund seiner Eigenschaften gegen behüllte Viren helfen. Ethanol-basierte Händedesinfektionsmittel wirken ab einem Gehalt 62% Ethanol desinfizierend. Mit 79% Ethanol erfüllt Klosterfrau Melissengeist diesen Umstand. -- Klosterfrau Melissengeist ist zur äußeren Anwendung zugelassen. Natürlich wirkt Klosterfrau Melissengeist mit seinen 13 Heilpflanzen weiterhin u.a. gegen Erkältungsbeschwerden. -- Bei Fragen stehen wir Ihnen unter folgenden Kontaktdaten gerne zur Vefügung -- Telefon: 0221 xxxx-x, Telefax: 0221 xxxx-xxx, E-Mail: dialog@klosterfrau.de -- Ihr Klosterfrau-Team der MCM Klosterfrau

Hier noch einmal der Text zum bequemen Lesen, damit auch ja die angemessene Übelkeit aufkommt:

Klosterfrau Melissengeist – auch zur äußerlichen Anwendung geeignet

Liebes Apotheken-Team,

sicher wird Händedesinfektionsmittel auch in Ihrer Apotheke als Reaktion auf den Coronavirus (SARS-VoV-2) verstärkt nachgefragt. Natürlich sind die gängigen Händedesinfektionsmittel hier die erste und oft auch günstigste Wahl. Wenn diese jedoch ausverkauft sind, können stark ethanol-haltige Produkte eine gute Alternative sein.

Das in Klosterfrau Melissengeist enthaltene Ethanol kann aufgrund seiner Eigenschaften gegen behüllte Viren helfen. Ethanol-basierte Händedesinfektionsmittel wirken ab einem Gehalt 62% Ethanol desinfizierend. Mit 79% Ethanol erfüllt Klosterfrau Melissengeist diesen Umstand.

Klosterfrau Melissengeist ist zur äußeren Anwendung zugelassen. Natürlich wirkt Klosterfrau Melissengeist mit seinen 13 Heilpflanzen weiterhin u.a. gegen Erkältungsbeschwerden.

Bei Fragen stehen wir Ihnen unter folgenden Kontaktdaten gerne zur Vefügung
Telefon: 0221 xxxx-x, Telefax: 0221 xxxx-xxx
E-Mail: dialog@klosterfrau.de

Ihr Klosterfrau-Team der MCM Klosterfrau

Zu diesem an viele Apotheker in Deutschland versendeten Fax gäbe es eine Menge Anmerkungen zu machen. Die folgende Liste ist sicherlich unvollständig:

  1. Zunächst nur eine pedantische typographische Korinthe: Zwischen Zahl und Prozentzeichen kommt ein schmales Leerzeichen mit einer Breite von einem Sechstel der Grundzeichenbreite, in HTML als beste Näherung ein  . Dem Werber, der dieses Fax verfasst hat, waren die Prinzipien der Typographie nicht so bewusst oder vielleicht auch wegen seines Bildungsmangels gar nicht erst bekannt. Warum sollte er sich auch Mühe geben und nach gutem Stil streben? Es ist ja nur massenhaft versendete Reklame. Wer braucht da Stil? Es wurde zwar gefaxt, ist aber fast so unpersönlich wie eine Spam formuliert. Allein das gibt den „Stil“ vor. Den Stil von Spam.
  2. „Das Ethanol“ – umgangssprachlich meist einfach als „Alkohol“ bezeichnet – „kann gegen behüllte Viren helfen“ ist eine bemerkenswert schwache Formulierung, die sicherlich von jemanden ersonnen wurde, der längere Zeit über die möglichen Rechtsfolgen solcher Texte nachdachte und sich in keinerlei Haftungsrisiko begeben wollte oder sollte. Derartige Erwägungen waren wichtiger als ein guter typographischer Stil in der Firmenkommunikation.
  3. Sicherlich, man kann sich die Hände mit dem teuren Kräuterschnaps aus dem Hause Klosterfrau Healthcare Group desinfizieren. Wie im Fax selbst eingeräumt wurde, ist bei dieser Anwendung der enthaltene Alkohol der wirksame Bestandteil des Kräuterschnapses. Bei Amazon (ebenfalls bewusst nicht verlinkt) habe ich eben eine 475-Milliliter-Flasche „Klosterfrau Melissengeist“ zum Preis von 37,83 € gefunden, was einem Literpreis von zurzeit beinahe achtzig Euro entspricht.
  4. Wer sich die Hände mit Alkohol desinfizieren möchte, kann sich hierfür auch Brennspiritus aus dem nächsten Drogeriemarkt holen. Der Literpreis liegt um die zwei Euro. Mit den eingesparten rd. 78 Euro lassen sich sicherlich eine Menge schönerer Dinge machen, und wem da nichts einfällt, der mag mir vielleicht mal eine kleine Spende zukommen lassen.
  5. Einer der Nachteile, wenn man preiswerten Brennspiritus benutzt: Der Alkohol ist mit einer extrem bitter schmeckenden Substanz vergällt, damit keine Alkoholsteuer (früher: Branntweinsteuer) fällig wird. Wenn man hinterher etwas mit den Händen isst oder Nahrungsmittel beim Zubereiten mit den Händen anfasst, schmeckt es bitter. Das heißt aber noch lange nicht, dass man „Klosterfrau Melissengeist“ nehmen muss, ist doch auch eine Desinfektion mit Isopropanol möglich. Dieser kostet in einer Konzentration von 99,9 % so um die fünfzehn Euro pro Liter und ist damit immer noch deutlich preiswerter als der im Fax angepriesene Kräuterschnaps. Um ihn zur Desinfektion zu benutzen, sollte er mit destilliertem Wasser auf rd. 70 % verdünnt werden. (Danke, Sebastian!) Übrigens ist Isopropanol Bestandteil sehr vieler in Arztpraxen und Krankenhäusern verwendeter Desinfektionsmittel.

Niemand muss mir diese Aussagen glauben. Ich bin nur ein dahergelaufener Blogger, der im Internet gar vieles behaupten könnte. Im Zweifelsfall bitte einfach einen richtigen Arzt fragen! Skepsis ist die Mutter der Vernunft, aber Leichtgläubigkeit bringt nur Dummheit hervor. 😉

Aber besser nicht den Apotheker fragen! 🙁

Dieses Fax ist nämlich an sich schon schlimm genug, aber noch schlimmer ist es, dass es Apotheker gibt, die diese „Empfehlung“ der Klosterfrau Healthcare Group tatsächlich an ihre Kunden weitergeben und ihnen allen Ernstes teuren Kräuterschnaps zur Desinfektion empfehlen. Und zwar – so ein Apotheker hat ja in der BRD durchaus etwas gelernt – entgegen besseren Wissens um preisgünstigere, aber genau so wirksame Möglichkeiten. (Ja, sie könnten sogar Isopropanol zu den typischen „Apothekenpreisen“ verkaufen, die werten Damen und Herren Apotheker.)

Ich habe dazu – wohlgemerkt: ohne medizinische oder pharmazeutische Ausbildung, sondern als ein von meiner Übelkeit geplagter Betrachter dieser gegenüber den Kunden verschleierten Reklamenummer – nur eine Anmerkung zu machen:

Ein Apotheker, der diese dreiste Reklamenummer mitträgt, hat meiner Meinung nach kein vorwiegendes Interesse an der Gesundheit und dem Wohlergehen seiner Kunden. Es geht ihm allein um die Steigerung des Umsatzes seiner Apotheke durch den Verkauf überteuerter Produkte für einen bestimmten Zweck. Was auf diesem Hintergrund von jeglicher „Beratung“ durch diesen Apotheker zu halten ist, sollte sich jedem intelligenzbegabten Menschen durch sehr kurzes Nachdenken wie von selbst eröffnen, so dass ich es im Lande des vollumfänglichen Rechtsschutzes für beleidigte Leberwürste nicht mehr explizit erwähnen muss.

Wenn man seine Medikamente bei einem Apotheker kauft, der einem allen Ernstes „Klosterfrau Melissengeist“ zur Desinfektion andrehen wollte, kann ich nur eine Empfehlung geben: Medikamente fortan in einer anderen Apotheke zu kaufen.

Dem Geldbeutel und der Gesundheit zuliebe.

¹Die werbende Anpreisung „Traditionelles pflanzliches Arzneimittel“ mit einer Reihe von aufgezählten Anwendungsgebieten besagt nur, dass es sich um ein vorwissenschaftliches, auf Grund von Erfahrungswerten verwendetes Mittel ist. Der pharmakologisch wirksamste Bestandteil dürfte der Alkohol sein. Deshalb steht auf dem Zettel in der Packung auch „Das Arzneimittel ist ein traditionelles Arzneimittel, das ausschließlich auf Grund langjähriger Anwendung für das Anwendungsgebiet registriert ist“. Es gibt keinerlei verpflichtenden Wirksamkeitsnachweis für solche „Traditionsmedizin“.