Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Vorschussbetrugseinleitung des Jahres

Donnerstag, 16. Juli 2020, 13:43 Uhr

Tweet von @TwitterSupport@twitter.com, verifizierter Kanal, vom 15. Juli 2020, 23:45 Uhr – der Original-Tweet ist inzwischen gelöscht:

 -- I am giving back my community due to Covid-19! All Bitcoin sent to my address below will be send back doubled. If you send $1000, I will send back $2000! -- Bitcoin-Adresse -- Only doing this for the next 30 Minutes! Enjoy!

Der überlagerte Schriftzug „SPAM“ ist natürlich von mir, um die Verwendung dieses Screenshots in einem immer noch laufenden Vorschussbetrug zu erschweren. Ich bin nicht so gern Bildhoster für Verbrecher. 😉

Wer hätte gedacht, dass die Zentralisierung der Kommunikation über die Websites irgendwelcher Unternehmen ohne seriöses Geschäftsmodell eine ganz schlechte Idee ist? Doch nur ein Mensch mit Gehirn. Ohne Gehirn kann man da ja gar nicht drauf kommen. Wenn Social-Media-Websites gecrackt werden – von Crackern natürlich, denn ihr wisst ja, die cracken nun einmal – dann bieten eben auf einmal Bill Gates, Elon Musk, Jeff Bezos, Apple und Uber eine leicht zu nutzende Geldsteckdose zum Verdoppeln von Bitcoin an. Natürlich stimmt das nicht, und natürlich handelt es sich bei diesen Tweets um Fälschungen eines Kriminellen, der bis jetzt allein über diesen Angriff einen sechsstelligen Dollarbetrag erschwindelt hat. Was er an weniger auffälligen Angriffen laufen hat, weiß ich nicht, aber dass dieser Kriminelle beinahe Vollzugriff auf Twitter hat, ist wohl offensichtlich, und er wird schon etwas damit anzufangen wissen.

Welche teilweise weit in die Privat- und Intimsphäre ragenden Daten bei diesem Angriff auf Twitter mitgenommen wurden, erfahren wir wohl erst in den nächsten Tagen. Oder es wird verschwiegen. Jenen, die das Versprechen Twitters von „sichereren Twitter“ dank Zwei-Faktor-Authentifizierung geglaubt haben und die brav ihre Telefonnummer angegeben haben, gratuliere ich recht herzlich. Wie man an den Übernahmen verifizierter Accounts sehen kann, hat die Zwei-Faktor-Authentifizierung nicht vor einer kriminellen Übernahme des Accounts geschützt, sondern nur eine Telefonnummer gegenüber einem datensammelnden Dritten in börsennotierter Reklamevermarktungslogik preisgegeben. Ist ja schön, wenn mal wieder jemand anruft. Und mit einen bisschen Glück sind die ganzen vom Wischofon mitgenommenen Daten – ihr habt ja alles nichts zu verbergen gehabt und hattet deshalb niemals Probleme mit trojanischen Apps wie der Twitter-App – ebenfalls in den Händen von Verbrechern und werden sicherlich demnächst auf den üblichen Marktplätzen für Verbrecher verhökert. Tja, wenn euch doch nur vorher jemand gewarnt hätte! Und die Smartphones sind ja so toll. Wenns Internet im Handy ist, ists Gehirn im Arsch. 📱🧠🔥

Ich finde es übrigens schade, dass beim Vorschussbetrug nicht für unterschiedliche Twitter-Kanäle unterschiedliche Bitcoin-Wallets verwendet wurden. Eine kleine Statistik aus der Alltagspraxis, wessen Follower wie naiv und leichtgläubig sind, wäre schon sehr interessant gewesen – und nicht besonders schmeichelhaft für Apple, nehme ich mal an. :mrgreen:

Den USA wünsche ich viel Spaß bei ihrem Twitter-Wahlkrampf zur Präsidentenwahl im November. Angesichts des sehr banalen Betruges kann der Crackerangriff auf Twitter wohl nicht so schwierig gewesen sein… und inzwischen läuft ja auch ein Großteil der politischen Kommunikation über diese Social-Müll-Dienste. :mrgreen:

2 Kommentare für Vorschussbetrugseinleitung des Jahres

  1. Robert Terwilliger sagt:

    Dieser Coup ist definitiv so einfach wie genial. Bei aller kriminellen Energie die dahinterstecken mag: chapeau! Es ist eine dieser „Warnglocken“ die aber wohl dennoch zu oft überhört werden, zeigt mir aber plastisch wie weit die Verblödung und Abstumpfung der multimedialen Gesellschaft gekommen zu sein scheint.

    Ja, es hat mir schon immer gestunken, dass Konzerne meine Bio-Daten haben möchten, nebst 24/7 Erreichbarkeit via 5-6 Mails und Telefonnummern.

    Meine Bilder haben sie leider (ich bin so ein narzistischer Fotojunkie der sich gern maskiert und kostümiert in Szene setzt) – der Mensch(!) hinter der Fassade ist denen hoffentlich dank ebenso maskierter Identität durch die Fangarme geschlüpft.
    Sicher drohen die Konzerne, man würde all das „multimediale Sozialleben“ verlieren, wenn rauskommt, dass man gar nicht das Subjekt hinter den falschen Angaben ist, aber diese Drohung ist einem Sozialphobiker wie mir Jacke wie Hose,

    Nur schlimm: Covid19 und die daraus entwickelte Krise spielen eben allen diesen Konzernen in die Hände, die nun ihre Produkte (wobei ja, wenn etwas kostenlos ist, ja der Kunde selbst das Produkt wird) anpreisen als letztes Mittel sozialer Interaktion…

    LMA und Dicker Finger liebe Konzerne!!! Würde das Internet (oder sagen wir Web 2.0) morgen abgestellt, ich trauerte dem keine Träne nach.

    Und ja, ich bin mir der Ironie bewusst, dies im Internet zu postulieren. Bitte, verspottet mich jetzt ruhig!

  2. […] ist das mal eine neue Geschichte zum endlosen Thema Vorschussbetrug im Internet. Na ja, so neu ist die Geschichte auch nicht mehr. Aber wenigstens ist es nicht mehr die arme, hilflose, im Sterben liegende Geldsackwitwe und auch […]

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