Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Mindestens fünfzehn Prozent Nachlass beim Anstand…

Donnerstag, 15. Dezember 2016, 18:14 Uhr

Dies ist keine Spam, sondern ein Link zum Bildblog über eine im Kontext besonders unpassende und widerliche Reklame in der Druckausgabe des Berliner Tagesspiegels – Merry Christmas: 15% Rabatt auf Schmuck und Uhren. 🙁

Einem leidenden Jungen aus Aleppo einen dicken Aufkleber ins Gesicht zu pappen, der frohe Weihnachten wünscht und „15% Rabatt auf Schmuck und Uhren“ im Onlineshop eines edlen Juweliers verspricht, ist so grotesk, dass es fast schon wieder ein treffender Kommentar zur aktuellen Lage in dieser Welt und zum Desinteresse vieler Menschen an der Situation in Syrien sein könnte. Leider ist es aber nur eine völlig deplatzierte Werbung.

Von mir hier ergänzend nur ein kurzer, wie immer in Contentindustrie-Sachen völlig unversöhnlicher Kommentar:

Nein, so etwas bemerkt man im Geschäft der Contentindustrie – das darin besteht, Inhalte als Köder zu verwenden, um Leute zum eigentlichen Geschäft, zur überall verabreichten Reklame zu locken – nicht; weder in der WYSIWYG-Ansicht des DTP-Programmes lange vor dem Druck, noch wenigstens vor der Auslieferung der Zeitungen an die Verkaufsstellen, wenn man einen Blick auf das Druckergebnis wirft. Wie denn auch? Anstand und eine minimale Fähigkeit zur Empathie haben ja gar nichts mit diesem eigentlichen Geschäft eines Presseverlages zu tun. An das Psychopathische streifende Menschenverachtung hat hingegen sehr wohl etwas mit diesem Geschäft zu tun. Zumindest die Leser werden jeden Tag verachtet, wenn auch nur selten so schrill auffällig.

Die so oft – und oft recht aggressiv und unter Ablassen weitgehender, gegen die Interessen aller anderen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland gerichteter politischer Forderungen – von Journalisten und Presseverlegern bejammerte „Krise des Journalismus“ ist nichts Neues. Sie hat begonnen, als Journalismus zur Werbeplatzvermarktung wurde. Es gibt nichts, was irgendeine Form der Kommunikation stärker beschädigen und in den Dreck ziehen könnte als die alles zum aufdringlichen, gern auch überrumpelnden Kaufangebot machende und somit jede wärmere Menschlichkeit auffressende Reklame, die zudem wie eine Infektionskrankheit ihren wenig erfreulichen Stil allem aufdrückt, was in zu inniger Berührung mit ihr steht. Wer im journalistischen Gewerbe als Mensch noch etwas fühlen kann, hätte das schon lange bemerken müssen, bevor die Leser massenhaft vorm erbärmlich gewordenen Produkt geflohen sind. Leider ist das mit dem „menschlich Fühlen“ unter Journalisten nicht so verbreitet (was jeder gern durch direkten Kontakt mit so genannten Journalisten überprüfen kann), und dann geht es eben hart: Ich wünsche allen Presseverlegern eine fröhliche Insolvenz.

Schade ists nur, dass es keine Werbeblocker für die „wirkliche“ Welt gibt¹. Die Werbeblocker fürs Web lässt sich niemand mehr wegnehmen, und schon gar nicht von Journalisten. Das wäre übrigens auch ein Zeichen erheblicher technischer Inkompetenz und Dummheit.

¹Ich schreibe „wirklich“ in diesem Kontext in Anführungszeichen, weil das Internet genau so „wirklich“ wie das Autobahnnetz, ein Bagger, der Frühstückskaffee oder das Wetter ist. Nur Politiker und Journalisten gehen in ihrem vorsätzlich volksverdummenden Schreiben und Reden davon aus, dass ihm ein geringerer Grad an Wirklichkeit zusteht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert