Unser täglich Spam

Aus dem Internet frisch auf den Tisch. Köstlich und aromatisch.


Der spammige Jahresrückblick 2013

Freitag, 20. Dezember 2013, 19:50 Uhr

Januar

Wir helfen ihnen dabei, ihr Konto wieder in Ordnung zu bringen

Neben den „üblichen Verdächtigen“ mit ihren Giftpillen, Jobs, Phishing-Versuchen und Trojaner-Bomben gab es einen bemerkenswerten Neuling in der deutschen Spam-Szene: Der hessische Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen hat E-Mail-Spam als politisches Werbemittel verwendet. Der besonders grüne Extrabonus: Wer dazu im Blog des hessischen Landesverbandes als Kommentator Stellung bezogen hat, wurde von den Spammern als Spammer eingestuft.

Da wächst zusammen, was zusammen gehört! :mrgreen:

Wenn dieser Landesverband der Grünen Aufmerksamkeit für seine Themen im Internet braucht, hätte er sich doch auch an Schandhallen-Exponant SEO Web wenden können.

Februar

100% verified degree-opportunity program

Nicht nur, dass im Vorfeld der österlichen Freudenzeit hirnzernagte Werber Begriffe wie „Knusper Crème“ (natürlich mit Leerzeichen statt Bindestrich) ersannen, es gab auch die erste größere Welle von Spam mit namentlicher Ansprache. Diese Seuche sollte sich durchs ganze folgende Jahr ziehen und insbesondere in der Kombunation „Alarmierende Mail mit namentlicher Ansprache und Schadsoftware-Anhang“. Oder auch mal eine Rechnung.

Bei so viel Trübnis ist man doch über Post vom Administrator erfreut. 😀

März

Aktionspreis

Als im überlangen Winter dieses Jahres zaghaft die ersten Blütenköpfchen aus dem Schnee schauten, blühte auch im Postfach ein längst vergessener Brauch wieder auf: Die Verwendung krativer Schreibweisen für gewisse blaue Tabletten: VjaqrRa oder vviavqra, welche nehme ich denn jetzt? Die Innovation dabei: Die Links gingen auf den Übersetzungsdienst von Google, und ein Link auf Google führt eben nur selten zu einer Erkennung als Spam. Aber dafür hat Google einen Riegel vorgeschoben und das Problem aktiv bekämpft.

Neu und super war auch das Umsatz Extrem Starterpaket für Facebook. Nur für Einsteiger und Sparfüchse, die rd. 600 Euro dafür ausgeben wollten, eine Facebook-Seite zu haben. Und weniger neu, weniger super und dennoch erwähnenswert war ein „alter Bekannter“ mit seinem „Roulettesystem“ und seinem Affiliate-Geschäft, der es nun (offenbar nicht besonders erfolgreich) mit der Zielgruppe Frauen versucht hat.

April

Nicht vergessen

Der Spam-April war neben dem üblichen Unsinn geprägt von den nicht besonders freundlichen, aber dafür auch nicht technisch kompetenten Hinweisen einer mit Google unauffindbaren SEO-Agentur mit vielen Websites und vielen Ansprechpartnern – dieser Bullshit sollte sich noch ein wenig durch das Jahr ziehen und für manche Hand in meinem Gesichte sorgen.

Bemerkenswert erfolgreich war ein Spam-Plugin für WordPress, das vorgeblich irgendwas mit S/M¹ machen sollte, aber eben auch das WordPress-Blog zur SEO-Spam-Maschine für halbseidene Darlehensanbieter gemacht hat. Es gab eine sechsstellige Anzahl Opfer, die diesen Trojaner auf Webservern aufgespielt haben – und jedes dieser Opfer muss ungefähr Folgendes „gedacht“ haben: „Ich brauche bequeme Buttons für klick klick weil klick klick bequem ist. Dass da oben in der Adressleiste des Browsers eine Adresse steht (deshalb heißt die Adressleiste ja auch „Adressleiste“), die man einfach bequem markieren, kopieren und in Twitter, Facebook und Co. einfügen könnte, ist doch für meine Leser eine intellektuelle Überforderung. Die können doch nur mit dem Zeiger auf Bildchen zeigen und klicken und darauf warten, dass Mutti Computer ihnen dann ganz schnell bringt, was sie haben wollen. Meine Leser sind nämlich entweder zu doof oder zu faul, um zu erlernen, wie man einen Computer benutzt. Deshalb brauche ich ganz unbedingt ein Plugin für meine dummen Leser, denn die Dummköpfe sammeln sich ja auch bei Facebook, Twitter und Co., und die bringen dann von dort noch mehr dumme Leser mit. Ich werde ganz viele dumme Leser haben! Ganz viele! Und dann gibt es noch mehr Groschen dafür, dass ich meinen Blog-Magneten für Dumme mit Reklame vergälle“.

Mit blinken Eurozeichen in den Augen in die kollektive Idiotie! Gib mir bitte einer das Web 0.95beta zurück! 🙁

Und nein, ich werde keinen Trost bei Elena suchen.

Mai

Update your Software

Alles neu macht der Mai? Von wegen. Unternehmen haben immer noch kein Interesse daran, ihre Kunden vor Betrug zu schützen und den Mails werden immer noch Slips beigefügt. Halt! Was?!

Apropos „Halt! Was?!“: Ein kleiner Aufreger im Mai war, das verschiedene „qualitätsjournalistische“ Machwerke ihre Leser aufdringlich dazu aufgefordert haben, gut funktionierende Sicherheitssoftware für ihre Browser zu deinstallieren, damit ihr Geschäft besser läuft. Damit haben sie die güldne Brigitte-Zypries-Medaille am fadenscheinigen Band für ihr gehobenes Internet-Verständnis verdient.

Juni

Oma Sex Fan auf Twitter

Eine ganz besondere Freude ist es für den Spamgenießer immer wieder, wenn ausnahmsweise einmal völlig klar ist, wer die Spam versendet hat. Die Macher der S/M-Website¹ „LinkedIn“ sind offenbar der Auffassung, dass ihr Unternehmen ohne seriöses Geschäftsmodell keine Chance hat, an ausreichend menschliches Reklame-Klickmaterial zu kommen, wenn nicht gespammt wird, bis der Mailserver qualmt. Dieser Einschätzung eines zu unrecht noch gut angesehenen Unternehmens, dass es ohne asoziale, direkt der Internet-Kriminalität entlehnte Vorgehensweisen keine Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg gibt, mag ich auch nicht widersprechen. Bitte geht verrecken!

Wer bei LinkedIn ist und denen halbautomatisch die Daten seiner Sozialkontakte als Adressmaterial für ihre Spamaktionen gibt, der schickt seine Freunde auch ins Ruby Palace Casino und empfiehlt ihnen, Referer-Spam als Reklame zu benutzen. Und fragt sie hinterher, ob sie sich auch schon in das „EU-Business-Register“ eingetragen hätten. Es wird Zeit, dass mit die Kooperation mit professionellen Trojanerprogrammierern und Spammern wie „LinkedIn“ zur angemessenen Ächtung führt!

Über die Website eines Spammers kommunizieren? Nee. Dann schon lieber dicke Eier, die nach Schinken schmecken

Juli

Wilkommen

Neue Phishing-Mails sind in Umlauf. Na ja, so richtig neu ist das Phishing nie – immer sollen Menschen mit Design und gefälschtem Mailabsender so verblendet werden, dass sie Zugangsdaten auf einer Seite von Kriminellen eingeben. Auch die feuchtwarmen Liebesbriefchen sind nichts Neues, ebensowenig die billigen Ticktacks, die Aufforderungen von Kriminellen, man möge ihre Dreckssites verlinken, obskure Darlehen oder der Klassiker der totalen Enthirnung im Postfach, die Spam zur Börsenmanipulation.

Deutlich neuer war die Masche mit den Binären Optionen, die auch noch über das restliche Jahr hinweg durchgezogen wurde. Wer sich Software von Spammern auf seinem Computer installiert, nur weil die ihm in einer kriminellen Spam Berge von Geld versprechen, ist eh nicht mehr zu retten.

August

Kontextsensitive Werbung für Cloud-Computing

Auch im August 2013 sind die Hersteller von Antivirus-Schlangenöl² immer noch nicht dazu imstande, ihre Programme mal den Dateinamenstrick Marke „.pdf.exe“ erkennen zu lassen. Im Dezember übrigens immer noch nicht, und ich vermute, diese inzwischen jahrealte alte Masche wird auch in fünf Jahren noch gehen, während irgendwelche Sicherheits-Spezialexperten aus Presse und Glotze den Menschen empfehlen, regelmäßig ihr Schlangenöl² zu aktualisieren. Die schlimmste Spamwelle aus dem August dieses Jahres, die angeblichen Mails von Anwälten und Inkassobüros mit angeblichen „Dokumenten“ als Anhang, hatten nur den einen Zweck, über diesen Trick Schadsoftware zu verbreiten. Gar nicht auszudenken, wie viel Schaden vermieden worden wäre, wenn die vorgeblichen Schutzprogramme einfach nur den Dateinamen nach diesem Muster untersuchten!

September

Phishing-Mail für Kunden der Deutschen Bank

Quickup vergeht die hergestellte Zeit, der Sommer geht vorbei, die Sonne wird kürzer und auch ansonsten wirds dunkel – auch in so manchem Oberstübchen. Spammer wollen Links an Unser täglich Spam verkaufen, und unbekannte Frauen schreiben ein Herz. Linktausch-Angebote klingen auch in dänischer Sprache gnadenlos dumm. Man möchte vor Lachen beinahe den Magen verlieren… 😀

Nach einer Flut schlechter Phishing-Mails für Kunden diverser deutscher Kreditinstitute habe ich mal ein paar Fragen formuliert. Ich halte das für den besten Text, den ich in diesem Jahr an dieser Stelle geschrieben habe. Aber ich lache ja auch gern… 😉

Oktober

Screenshot eines typischen Vorschussbetruges mit einem angeblichen Lotteriegewinn

Noch fallen die Blätter nicht von den Bäumen, schon fallen Millionen von Dollar ohne jeden Grund in das Postfach. Darlehen werden per Spamkommentar angeboten, ganz ohne diesen Bonitätsquatsch, versteht sich. Mit dem Geld könnte man dann in seiner Heimat Wände bei einer Tasse Kaffee in den Kampf gehen mit diesen einarmigen Banditen. Eine nicht ganz so alltägliche Betrugsmasche ist der britische Führerschein, mit dem man angeblich weiterfahren kann, wenn einem der deutsche entzogen wurde, weil man mit Drogenabusus und gefährlicher Fahrweise eine Gefahr für andere Menschen ist. Genau richtig für alle, die saufen und weiterrasen wollen.

Nicht ganz Spam, sondern ganz normale PR (also bezahlte Lüge) ist die als Dienstleistung angebotene Manipulation von Einträgen in der Wikipedia durch eine Klitsche namens „Wiki-PR“. Mir scheints, die Tage würden kürzer, weil die Sonne sich zum Kotzen verkriecht.

November

Posteingang mit ganz vielen gleichen Spams

Zum Ende des Jahres hin bemerke ich, dass die Kriminalpolizei offenbar etwas aktiver geworden ist – denn seit November gibt es vermehrt „Jobangebote“. Angesichts dieser Ödnis im Spamfilter bin ich geradezu froh, wenn auch mal jemand an meine Pferde denkt. Vielleicht kann ich mir ja bald ein Pferd leisten, schließlich sind 22 Prozent der Millionäre so reich geworden, weil sie den Lügen von Spammern geglaubt haben. Und wenn das Pferd dann einmal krank wird, gibts auch gleich Hilfe vom Spammer. Das fängt schon an mit dem Reichtum! Ich kann es fühlen! Ich kriege sogar irgendwelche Pakete mit Wertsendungen. Nur noch ein paar Tage, und ich fange damit an, mir Körperöffnungen zu kaufen. :mrgreen:

Dezember

Gewinnbenachrichtigung

Huch, ist das Jahr schon wieder vorbei? Läuft schon wieder der Weihnachtsmann durch die Postfächer und verteilt ganz geheime Verdienstmöglichkeiten, die jeden reich machen können? Als ob ich das Geld brauchte! Ich hab doch wieder im Spamlotto gewonnen. Jede Woche macht mich meine Mailadresse mindestens einmal zum Millionär. Und alle wollen mir Wertpapiere zustecken.

Hach, ich bin so froh, nicht mehr diese Jobs annehmen zu müssen!

Und jetzt kauf ich mir eine Ticktack.

Allen Lesern von „Unser täglich Spam“ wünsche ich ein möglichst spamfreies Jahr 2014. (Und zwar ohne Hoffnung, dass sich dieser Wunsch erfüllt.)

¹S/M ist meine Abk. für „social media“. Aus Gründen.

²Ja, Antivirus-Programme sind Schlangenöl. Und der farbige Text ist ein Link, der geklickt werden will. Vor allem, wenn dieses Urteil unsachlich erscheint.

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